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In die Vergangenheit

Skifahren im Pleistozän: Dieser Reiseführer verrät, was dabei zu beachten ist.

Was wäre, wenn Sie sich – trotz Coronabeschränkungen – im nächsten Urlaub nicht nur für einen Kontinent, eine Region oder eine Stadt entscheiden könnten, sondern als Reiseziel auch ein beliebiges Jahrhundert zur Auswahl stünde? Wenn Ihnen nicht nur die ganze Welt, sondern die ganze Weltgeschichte offenstünde? Eine verlockende Vorstellung. Was Sie in dem Fall aber unbedingt benötigen würden, wäre ein guter Reiseführer, denn es gäbe nicht nur enorm viel zu entdecken, sondern ebenso zu bedenken.

Ein solches fiktionales Nachschlagewerk haben die Journalistin Kathrin Passig und der Physiker Aleks Scholz geschrieben. Den Autoren ist ein sehr unterhaltsames Buch gelungen, das sowohl zu den historischen Stätten hinführt und diese hautnah erleben lässt als auch die physikalischen Hintergründe von Zeitreisen erörtert.

Sprinten im Erdmittelalter

Das »Handbuch für Zeitreisende« listet diverse Reiseziele auf. Wer die sportliche Herausforderung sucht, dem seien die Mittel- und Hochgebirge des Pleistozäns vor ungefähr einer Million Jahren ans Herz gelegt: Sie bieten Schneesicherheit und unberührte Winterlandschaften, allerdings keine Skilifte. Passig und Scholz bringen ihren Lesern diese Welt näher und geben wertvolle Tipps zur nötigen Reiseausrüstung. Wer es besonders abenteuerlich mag, der könnte über eine Reise ins Erdmittelalter nachdenken und sich – unter großen Vorsichtsmaßnahmen – in die Welt der Dinosaurier begeben. Der Reiseführer informiert hierbei nicht nur über die Welt, die den Reisenden dort erwarten würde, sondern gibt auch ganz praktische Hinweise zu Verhalten und Reiseausrüstung: So haben neuere Studien ergeben, dass der Furcht einflößende T. Rex nur rund 20 Kilometer pro Stunde schnell laufen konnte, was freilich bloß fitten Sprinterinnen und Sprintern das Leben retten würde. Abgesehen davon, dass andere Dinos, die für uns wohl noch wesentlich gefährlicher gewesen wären, etwa Deinonychus, vermutlich deutlich schneller rannten. Die Ausrüstung hingegen kann jeder an die jeweilige Reisezeit anpassen. Je nach Jahrmillion, in die man reist, ist die Sauerstoffkonzentration mal höher und mal niedriger als heute. Bei der Auswahl des Campingkochers kann das zum Kaufkriterium werden. Übrigens bietet sich der Zeitraum vor 65 Millionen Jahren besonders für ethisch und ökologisch unbedenkliche Großwildjagd an – kurz danach macht ein Meteorit den Dinos ohnehin den Garaus.

Leichter hat es der Zeitreisende hingegen, wenn ihm eher der Sinn nach Kultur steht: Dann empfehlen die Autoren zum Beispiel ein Konzert in Wien – nicht irgendeines, sondern die Uraufführung der 9. Sinfonie Ludwig van Beethovens am 7. Mai 1824. Nur so käme heraus, wie sich der Maestro sein Werk tatsächlich vorgestellt hat. Denn die Tempobezeichnung Allegro ma non troppo im ersten Satz lässt viel Raum für Interpretationen. Ein heimlicher Mitschnitt würde Sie bei Musikwissenschaftlern und Orchesterangehörigen sicher ungemein beliebt machen.

Interessante Schilderungen dieser Art gibt es viele in dem lesenswerten und unterhaltsamen Buch, das Reiseneulingen vor allem dazu rät, die Weltausstellungen etwa in Paris oder London Ende des 19. Jahrhunderts zu besuchen. Jene bieten schließlich einen hervorragenden Spiegel ihrer Zeit; zudem lässt sich in der internationalen Menschenmasse unauffällig untertauchen.

Das Werk umfasst zahlreiche Themen und Zeiten, die die Autoren geschickt aufbereiten. Dabei erlauben sie sich einige interessante Gedankenspiele: Was wäre, wenn man im Urlaub die Welt verändern würde? Mit dem Wissen von heute könnte man etwa Erfindungen vorantreiben oder Gräueltaten verhindern. Mit etwas Hilfe aus unserer Zeit würden so vielleicht nicht vier Jahrtausende zwischen der Erfindung des Rads und derjenigen der Schubkarre vergehen. Allerdings wissen wir spätestens seit dem Film »Zurück in die Zukunft«, dass Veränderungen in der Vergangenheit durchschlagende Effekte auf die Gegenwart haben können. Und so belässt man es wohl besser bei der rein beobachtenden – leider nur gedanklichen – Zeitreise zu zahlreichen Zielorten und -zeiten, die die Autoren lesenswert charakterisiert haben.

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