Christliche Bilderstürmer
Im Jahr 391 drangen schwarz gekleidete Männer ins Sarapeion von Kanopos ein. Die christlichen Fanatiker zerschlugen die Marmorstatue des ägyptischen Fruchtbarkeitsgottes, beschimpften ihn als »verwelkten Greis«. Sie zertrümmerten Opferschalen, droschen auf Gesichter und Pranken der Sphingen ein, um diese »Dämonen« auf ewig blind und kampfunfähig zu machen. Schließlich trugen sie bis auf die Kalksteinblöcke der Grundmauern den gesamten Tempel ab; nichts sollte mehr an den Gott erinnern.
Das ist nur eine von vielen Begebenheiten, welche die britische Althistorikerin und Journalistin Catherine Nixey in diesem Buch schildert. So spektakulär der Titel, so gewagt ist dessen These: Die Christianisierung des Römischen Reichs sei nichts anderes gewesen als die »Geschichte der gewaltsamen Bekehrung und der Verfolgung Andersgläubiger«, die mit der Tolerierung durch Kaiser Konstantin 312 n. Chr. begonnen und mit der Schließung der Athener Akademie 529 geendet habe. Nicht Begeisterung für den neuen Glauben, sondern vor allem Terror habe dem Christentum zum Sieg verholfen, so Nixey.
Schläge im Namen des Herrn
In zehn Kapiteln beschreibt die Autorin ausführlich die christliche Zerstörungswut gegen alles Heidnische, erzählt von blindwütigen Bilderstürmern und fanatischen christlichen Schlägertrupps, die im Namen des Gekreuzigten abscheuliche Gräueltaten begingen. Um aufzuzeigen, wie »die bunte, vielfältige klassische Welt buchstäblich ausgelöscht wurde«, ruft Nixey zeitgenössische Kritiker des Christentums in den Zeugenstand und lässt christliche Hassprediger zu Wort kommen. Darunter finden sich »heilige« Männer wie der Kirchenvater Augustinus oder Johannes Chrysostomos, Erzbischof von Konstantinopel, die mit aggressiver Rhetorik die Gewalt gegen Andersdenkende schürten.
Akribisch trägt Nixey umfangreiches Material aus dem verstreuten Quellenbefund zusammen. Doch reicht dies tatsächlich aus, um zu belegen, dass religiöse Fanatiker die hoch entwickelten antiken Kulturen zum Einsturz brachten?
Natürlich gab es zahlreiche Gewaltexzesse von Christen gegen Nichtchristen. Doch eine Menge beschädigter Tempel und Statuen ergeben genauso wenig eine »zerstörte Antike«, wie die christlichen Gewalttäter repräsentativ für das spätantike Christentum sind. Zudem waren Gewaltausbrüche gerade in der Spätantike nicht ausschließlich religiös verursacht, sondern resultierten – wie die jüngere Forschung überzeugend herausgearbeitet hat – häufig aus sozialen, ökonomischen, politischen und ethnischen Konflikten.
Ein weiteres Manko des Buchs besteht darin, dass die Autorin Christen und Heiden nur unzureichend in den historischen Kontext einbettet, was lokale Differenzen verwischt und gesamtstaatliche Entwicklungen ausblendet. Dass die klassische Welt zur Zeit der »Konstantinischen Wende« nur noch ein Abglanz ihrer selbst war; dass das spätantike Römische Reich durch Völkerwanderung, innenpolitische Intrigen und Wirtschaftskrisen in fortgeschrittenem Verfall begriffen war, erwähnt Nixey nur am Rande.
Insgesamt gesehen greift der monokausale Ansatz der Autorin zu kurz. Den Nachweis für ihre These, wonach die Christen die Antike zerstört hätten, bleibt sie schuldig. Statt gebotener Reflexion und tiefgründiger Analyse ergeht sie sich in Verallgemeinerungen, spricht von »den Christen« und »der Kirche« und blendet aus, dass es unter den Christen unterschiedliche Gruppierungen und durchaus auch tolerante Geister gab. Männer wie den Philosophen Boethius, den weltoffenen Dichter Ausonius oder den Bischof Synesios von Kyrene, der christliches und platonisches Gedankengut miteinander in Einklang zu bringen suchte. Hinzu gesellt sich ein selektives Quellenstudium der Althistorikerin, das eine ausgewogene Sichtweise verhindert.
Nixey, Tochter einer ehemaligen katholischen Nonne und eines früheren Mönchs, hat mit ihrem Buch ein heißes Eisen angepackt, das viele Leser und Leserinnen ansprechen wird, wissenschaftlichen Ansprüchen jedoch nicht genügt. Die Autorin fühlt sich der antiken Kultur verbunden, doch ausgerechnet einer ihrer Repräsentanten, der römische Historiker Tacitus, hat als Maxime ausgegeben, was Nixey gerade nicht tut: Geschichte »sine ira et studio«, ohne Zorn und Eifer, also objektiv und sachlich zu schreiben.
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