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»Herzsprechstunde«: Frauenherzen schlagen anders

Sandra Eifert und Suzann Kirschner-Brouns zeigen, was das weibliche Herz besonders macht, und unterstützen so Patientinnen wie Mediziner bei ihren Entscheidungen.
Illustration eines abstrakten Herzens mit vielen Verbindungen

Das weibliche Herz ist anders als das männliche Herz. Zwar sind die Herzen aller Menschen grundsätzlich gleich aufgebaut. Das Frauenherz ist aber kleiner, zarter und filigraner und muss anderen Belastungen standhalten als ein Männerherz. Es ist beispielsweise lange Zeit durch einen höheren Östrogenspiegel geschützt. Wohl unter anderem deshalb sind Frauen in jüngeren Jahren oft herzgesünder als ihre männlichen Mitmenschen. Sinkt der Östrogenspiegel jedoch mit Eintritt in die Menopause, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen stark an, bis es dem von Männern gleicht und Frauenherzen Männer in dieser Hinsicht sogar überholen. Auch Endometriose und Schwangerschaften betreffen ausschließlich Frauen – und mit ihnen eine besondere Gruppe von Herzerkrankungen. Doch all dem sind Frauen nicht hilflos ausgeliefert, wie Sandra Eifert und Suzann Kirschner-Brouns in »Herzsprechstunde« belegen.

Mit ihrem Buch bieten die Herzspezialistinnen neue Einblicke in die Herzgesundheit – und das nicht nur für Frauen. Zwar sprechen die Autorinnen vor allem Leserinnen an, betonen aber immer wieder, dass viele der vermittelten Einsichten auch für Männer wichtig sein könnten. In eingestreuten Anekdoten berichten sie beispielsweise, wie ihre Sensibilität für die weibliche Herzgesundheit und die bei Frauen oft unspezifischen Symptome bei Herzerkrankungen auch männlichen kardiologischen Patienten geholfen hat. Der Hauptfokus der Autorinnen liegt jedoch auf der viel zu häufig vernachlässigten Frauenherzgesundheit.

Das ist wichtig, denn Frauen gehen bei Herzproblemen oft zu spät ins Krankenhaus oder werden zu spät dorthin überwiesen. »Erschwerend kommt hinzu, […] dass Frauen bei Herzerkrankungen nicht die bei Männern üblichen Beschwerden zeigen« – hier vermitteln die Autorinnen eine Erkenntnis, die langsam in der Gesellschaft anzukommen beginnt. Gleichzeitig sind Frauen oft anderen Risiken für ihre Herzgesundheit ausgesetzt als Männer. Sie seien beispielsweise viel anfälliger für emotionalen Stress – über den sie dann, manchmal zu ihrem eigenen Pech, auch noch mehr sprechen. Dadurch werden oft psychische Probleme diagnostiziert, bevor die Ausschlussdiagnostik mit Blick auf organische Erkrankungen abgeschlossen ist. So können beispielsweise das in der Literatur oft zitierte »Broken-Heart-Syndrom« (Takotsubo-Kardiomyopathie) oder der weibliche Herzinfarkt leicht übersehen werden. Mit teilweise katastrophalen Folgen für die Frauen.

Unterschiede, auf die es ankommt

Wie anders das Frauenherz in vielerlei Hinsicht ist, wird nicht nur deutlich, wenn die Autorinnen von den Unterschieden zwischen hormonellen Prozessen bei Frauen und Männern berichten. Auch Medikamente wirken bei Frauen zum Teil anders beziehungsweise sollten anders dosiert werden. Frauen reagieren etwa empfindlicher auf Betablocker, die häufig bei Herzerkrankungen, aber auch bei einigen anderen Erkrankungen eingesetzt werden. Gleichzeitig erkranken Frauenherzen oft anders als Männerherzen, so betrifft beispielsweise das Broken-Heart-Syndrom zu 95 Prozent Frauen. Auch Herzinfarkte ohne Gefäßverschluss, sogenannte MINOCAs, treten häufiger bei Frauen auf. Sie sind schwieriger zu diagnostizieren als klassische Herzinfarkte und werden daher oft übersehen. Deshalb profitieren Frauen davon, wenn sie ebenso wie die behandelnden Mediziner über dieses besondere Wissen zu ihrer Herzgesundheit verfügen.

Stilistisch gelingt den Autorinnen der Spagat zwischen fachlicher Tiefe und den Anforderungen an die Verständlichkeit eines populärwissenschaftlichen Textes nicht immer optimal. Teilweise könnten Leserinnen und Leser in den Teilen, die sich vor allem mit Hintergrundwissen befassen, von bildlichen Darstellungen profitieren. Die einzelnen Kapitel sind aber so gut in sich abgeschlossen, dass sie auch problemlos je für sich gelesen werden können. Dadurch fallen manche etwas zu fachsprachlich geratene Passagen nicht so sehr ins Gewicht. Besonders der letzte Teil des Buches ist leicht verständlich. Das ist wichtig, denn darin befassen sich die Herzspezialistinnen mit dem vielleicht entscheidenden Aspekt ihres Themas – nämlich der Frage, was Frauen (und auch Männer) tun können, um ihr Herz fit, gesund und jung zu erhalten. Alle, denen das gelingt, haben ein deutlich geringeres Risiko, am Herzen zu erkranken, und gute Chancen, fröhlichen Herzens bis ins hohe Alter zu leben.

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