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Was kann die Hirnforschung?

Was die Hirnforschung erreichen kann und was nicht, wird die Zukunft zeigen. Die Frage ist derzeit unmöglich zu beantworten. Daher versuchen sich die 18 Autoren dieses Sammelbands, allesamt namhafte Wissenschaftler, gar nicht erst als Propheten, sondern stellen vor allem den aktuellen Forschungsstand ihres jeweiligen Spezialgebiets vor.

Das Ergebnis ist ein interessanter Überblick: Da gibt es spannende Einsichten in die Gedächtnisbildung oder in die Schwierigkeiten beim Entwickeln steuerbarer Prothesen. Ein Gesamtbild über die "Erfolge, Möglichkeiten und Grenzen", wie es der Untertitel verheißt, muss sich der Leser daraus selbst machen.

Am ehesten erfüllt das Versprechen Michael Madeja, Neurowissenschaftler an der Universität Frankfurt und einer der Herausgeber. In seinem Beitrag zur Neuropädagogik beschreibt er, wie Neuromythen entstehen und sich auf den Unterricht auswirken, und umreißt die Befunde und Grenzen der Disziplin. Sein Fazit: Die Neuropädagogik habe "bislang keine Ergebnisse erbracht, die praktische Auswirkungen auf den Unterricht oder für die Schüler haben – wenn man von einzelnen Kindern absieht, die nachweisbare Störungen von Hirnfunktionen haben". Einen ähnlich ernüchternden Eindruck hinterlässt auch der Rest des Buchs.

Psyche oder Neurobiologie?

Trotz solch erklärter Bescheidenheit aber verkürzen die Wissenschaftler psychische Prozesse immer wieder auf Vorgänge im Gehirn. Zum Beispiel spricht Niels Birbaumer von "Gehirne[n], die nach dem Experiment Schuldgefühle und Gewissensbisse angaben".

Wie neuronale Vorgänge und Verhalten zusammenhängen, zeigen besonders jene Kapitel auf, die mit "Abweichungen vom Normalen" überschrieben sind. So schildert Herta Flor vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, wie sich bei ehemaligen Suchtkranken anhand der Hirnaktivität immer noch positive Assoziationen mit Drogen erkennen lassen, auch wenn die Betroffenen diese nach einer Therapie auf der bewussten Ebene bereits ablehnen. Und der Hamburger Forscher Christian Büchel weist auf inzwischen "klar definierte biologische Wirkungen" wirkstofffreier Placebos hin – ein Effekt, der lange Zeit als rein psychisch abgetan wurde.

Geht es dagegen um die kulturellen Leistungen des Menschen, ist die Rolle des Gehirns schwieriger auszumachen. Neuroökonomie könne "von der Verhaltensökonomie nicht getrennt werden", räumt Christian E. Elger ein. Und der Neurophysiologe Wolf Singer kann in seinem Aufsatz zur Kunst nicht auf wesentlich mehr verweisen als auf die Erkenntnisse zur Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, die Stefan Treue bereits ausführlich eingeordnet hat. Singer konstatiert: "Aber die Frage ist, ob Künstler wirklich interessieren muss, warum [auf der neuronalen Ebene] bestimmte Effekte funktionieren."

Künstliches Bewusstsein

Die Herausgeber haben sich ein hehres Ziel gesetzt: Rechenschaft über den Stand der Hirnforschung abzulegen, "frei von Träumen und unrealistischen Erwartungen, aber auch frei von Ressentiments und plakativen Negativbeispielen". Ganz schaffen es die Autoren allerdings nicht, sich von den Hoffnungen frei zu machen, die sie für ihr jeweiliges Spezialfeld hegen – seien es therapeutische oder pädagogische Anwendungen oder das Erschaffen eines künstlichen Systems, dem man Bewusstsein zuschreibt. Letzteres hält Andreas K. Engels zwar für realisierbar. Doch trotz seines Optimismus hinterlässt seine Abhandlung das Gefühl, die Kognitionswissenschaft sei noch weit davon entfernt, das bewusste Denken des Menschen zu erklären oder gar zu reproduzieren.

Das Buch macht Lust auf mehr, auf einen echten Austausch zwischen den Disziplinen. Denn eins wird in allen Beiträgen immer wieder deutlich: Die Neurowissenschaft ist nur eine von vielen Forschungsrichtungen, die sich mit der großen Frage beschäftigt, was uns als Menschen ausmacht. Gemeinsam könnten sie womöglich eine Antwort geben – die Hirnforschung allein vermag das nicht.

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