Nützlicher Stress
"Ein Buch, das nicht weniger als den Schlüssel zu einem gesünderen Leben bereithält." Mit diesem selbstbewussten Versprechen lockt der Wissenschaftsautor und Evolutionsbiologe Richard Friebe seine Leser. Er erklärt in dem Werk das Prinzip der Hormesis (griechisch "Anstoß"), wonach schädliche Einflüsse in niedriger Dosierung eine positive Wirkung auf den Organismus haben können. Damit möchte Friebe einen neuen Blick auf die Frage vermitteln, was Gesundheit bedeutet. Demnach ist Gesundheit die Fähigkeit, auf Störfaktoren angemessen zu reagieren.
In den zurückliegenden Jahren sind Hormesiseffekte in den Fokus von Wissenschaftlern gerückt, weil sich in Studien immer mehr Belege dafür finden (siehe etwa SdW 4/2016, S. 28). Beispielsweise beruht die gesundheitlich günstige Wirkung des Obst- und Gemüseverzehrs offenbar auf Stressreaktionen, die der Körper gegen Pflanzengifte entwickelt.
Giftigkeit als Frage der Menge
Neben aktuellen Forschungsarbeiten beleuchtet Friebe auch den geschichtlichen Gehalt des Hormesisbegriffs. Das dahinter stehende Prinzip (die Dosis macht das Gift) ist schon lange bekannt, wurde vielfach aber nicht gebührend berücksichtigt. Paracelsus etwa (1493-1541) musste als Verfechter dieser Ansicht nicht nur Anfeindungen ertragen, sondern sogar aus der Stadt Basel fliehen.
Aktuelle Anlässe machen die Relevanz der Hormesis-Hypothese immer wieder deutlich, wie Friebe zeigt. So wirft der Jahrestag des Tschernobyl-Unglücks einmal mehr die Frage auf, ob niedrig dosierte radioaktive Strahlung eine gesundheitlich günstige Wirkung haben könnte. Friebe diskutiert das ausführlich, mit der Absicht, den Horizont des Publikums zu erweitern.
Wie Kicker üben
Der Autor vermittelt den Inhalt lebhaft und anschaulich, unter anderem mithilfe einiger Anekdoten über die Trainingsmethoden der deutschen Fußballnationalmannschaft. Mit Zusammenfassungen am Ende der Kapitel erleichtert er seinen Lesern das Verständnis. So können auch Laien den Ausführungen folgen, die mitunter tief in biochemische Details hineingehen. Hier und da verweist der Text auf weiterführende Inhalte sowie Literaturangaben, die in einem Verzeichnis zusammengefasst sind. Angesichts der knapp 400 Verweise wäre eine separate Kennzeichnung von Quellen und Erläuterungen hilfreich gewesen, um unnötiges Blättern zu vermeiden. Denn die ersten schlägt man in aller Regel nur selten nach, während die zweiten interessantes Hintergrundwissen liefern, das die Lektüre bereichert.
Ob das Buch wie angepriesen den Weg zu einem gesünderen Leben weist, muss jeder Leser wohl für sich entscheiden. Einige Ausführungen wirken tatsächlich wie Tipps aus einem Gesundheitsratgeber – beispielsweise wiederholt Friebe des Öfteren, wie positiv die Effekte des Fastens seien, die durch Hormesis vermittelt würden. Auf jeden Fall ist das Werk optisch schön gestaltet, bietet einiges an fundiertem Hintergrundwissen und gibt Denkanstöße zum Thema Gesundheit.
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