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KI-Kollegen

An der Schnittstelle von menschlichen und maschinellen Tätigkeiten entstehen neue Jobs, schreiben zwei Technologen und Unternehmensberater.

Im baden-württembergischen Sindelfingen entsteht gerade das neue Daimler-Produktionswerk »Factory 56«, in dem Roboter Roboterautos bauen sollen und das von der Belegschaft intern bereits als »Fear Factory«, als »Angstfabrik« bezeichnet wird. Die Sorge ist groß, dass Roboter und Künstliche Intelligenzen den Menschen die Arbeitsplätze wegnehmen. Laut einer vielzitierten, methodisch allerdings umstrittenen Studie der Universität Oxford werden in den USA bis 2030 rund 47 Prozent aller Arbeitsplätze durch die Automatisierung verschwinden. Die Analysten Paul Daugherty und James Wilson stellen in diesem Buch die Gegenthese auf: Mensch und Maschine sind keine Feinde, sondern »symbiotische Partner«.

Daugherty, der als Cheftechnologe beim Beratungsunternehmen Accenture arbeitet, und sein Koautor Wilson, geschäftsführender Direktor bei Accenture Research, identifizieren drei Wellen strategischer Neuausrichtung. In der ersten Welle, dem Fordismus, wurden Produktionsabläufe standardisiert, sodass Arbeitsschritte am Fließband ausführbar waren. In der zweiten Welle automatisierten Computer Bürotätigkeiten. In der dritten Welle, in der wir uns nun befinden, gehe es darum, flexibler und schneller auf Abläufe zu reagieren.

Hybride Arbeitsformen

Das Paradebeispiel für solche »adaptiven Prozesse« ist der Navigationsdienstleister Waze, der in Echtzeit Nutzerdaten über Standort, Geschwindigkeit des Autofahrers, Staus und Unfälle sammelt und so eine dynamische Karte erstellt. Die dritte Welle, argumentieren die Autoren, habe einen »riesigen, dynamischen, vielgestaltigen Spielraum geschaffen, in dem Menschen und Maschinen zusammenarbeiten und so eine Vervielfachung der Geschäftsleistung erzielen«. Anhand einer qualitativen ökonomischen Studie zeigen die Autoren auf, dass an der Schnittstelle zwischen menschlichen und maschinellen Aktivitäten ein neues Beschäftigungsfeld entsteht: hybride Arbeitsformen, in denen der Mensch die Maschine ergänze und die KI dem Menschen »übermenschliche Fähigkeiten« verleihe.

Wenn Techniker etwa die Steuereinheit einer Windkraftanlage verdrahten, müssten sie nicht mehr abwechselnd auf die Anlage und das gedruckte Handbuch schauen, sondern hätten dank einer Augmented-Reality-Brille Blick und Hände frei – die Anweisungen werden auf den oberen Rand des Blickfelds projiziert. So könnten sich die Ingenieure auf die Steuereinheit konzentrieren. Mechaniker könnten mithilfe von Datenbrillen defekte Teile einer Maschine inspizieren und diese unter Anweisung künstlicher Intelligenz reparieren. Die KI ist hier keine Konkurrenz, sondern eine Assistenz, die als Hilfsarbeiter einzustufen ist. Auf der anderen Seite müssen diese – häufig maschinell lernenden – Algorithmen »trainiert« werden. Die Autoren zählen eine Reihe von Berufsbildern auf, in denen der Mensch bei der Entwicklung verantwortungsvoller KI eine Rolle spielt. Trainer zum Beispiel, die KI-Systemen beibringen, Mitgefühl zu zeigen. Erklärer, deren Aufgabe darin besteht, Kunden die Funktionsweise von KI-Technologie zu erläutern. Oder Datenhygieniker, die darauf achten, dass die Daten, mit denen Maschinen gefüttert werden, nicht verzerrt sind.

Künstliche Intelligenz, das wird bei der Lektüre schnell klar, macht viel Arbeit. Und das ist aus volkswirtschaftlichen Gründen ein positives Zeichen – wenn man von der Prämisse ausgeht, dass Arbeit sinnstiftend ist und wir trotz Automatisierungsgewinnen nicht auf eine Post-Arbeits-Gesellschaft zusteuern wollen. Die Autoren resümieren: »Maschinen werden nicht die Weltherrschaft übernehmen, und sie machen Menschen am Arbeitsplatz auch nicht überflüssig. Im heutigen Zeitalter der Umstellung operativer Prozesse treten KI-Systeme nicht massenweise an unsere Stelle, sondern sie verstärken unsere Fähigkeiten, arbeiten mit uns zusammen und ermöglichen so Produktivitätszuwächse, die zuvor nicht möglich waren.«

Man merkt dem Buch an, dass es für eine Management-Zielgruppe geschrieben wurde. Stellenweise liest es sich wie die handelsüblichen Mutmacherbeiträge der Management-Literatur (»Denken Sie dynamisch!«, »Machen Sie Tempo!«). Was die Autoren in ihrer Analyse außer Acht lassen, ist die Frage, welche Auswirkungen die Automatisierung für Geringqualifizierte hat. Die Frau an der Supermarktkasse, die es in Amazons kassenlosem Supermarkt Go schon gar nicht mehr gibt, dürfte wohl nicht dafür geeignet sein, Sprachassistenten wie Alexa zu trainieren. Die Frage, wie man diese Verluste sowohl ökonomisch als auch gesellschaftlich auffängt, beantwortet das Autorenduo nicht. Trotzdem haben Daugherty und Wilson eine erhellende, angenehm nüchterne Analyse vorgelegt, die einen Einblick in neue Tätigkeitsfelder in der Mensch-Maschine-Interaktion gibt. Wer sich an etwas sperrigen Begriffen wie »Proof of Concept« nicht stört, dürfte das Buch mit Gewinn lesen.

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