Die Welt von oben
Eine kleine blaue Kugel schimmert in der Tiefe und Schwärze des Weltalls: Das erste Farbfoto, das Apollo-Astronauten aus großer Entfernung von der Erde machten, lässt noch heute ein Gefühl der Ehrfurcht und Hochachtung entstehen. Die dünne Hülle unseres Planeten erscheint sehr verletzlich und weckt den Wunsch, ihn zu beschützen. Die Aufnahmen in diesem Bildband erzeugen ähnliche Gefühle, auch wenn der Fotograf George Steinmetz sie nicht so hoch über dem Boden geschossen hat wie seinerzeit die Apollo-Raumfahrer. Ihn selbst machten sie zu einem Umweltschützer wider Willen, wie er schreibt.
Ob mit Hilfe von Drohnen, Hubschraubern oder einem motorgetriebenen Gleitschirm: Steinmetz zeigt die Welt immer von oben. Zu sehen sind Ölraffinerien zwischen Sanddünen, Straßenschluchten in New York, verlassene Ruinen in ehemaligen Wüstenstädten ebenso wie schwimmende Wohnanlagen in den Niederlanden, die sich auf den Klimawandel und steigende Meeresspiegel vorbereiten, sowie Solaranlagen auf chinesischem Wüstensand, die bis zum Horizont in Reih und Glied stehen. All diese Bilder zeigen, wie stark der Mensch die Erde formt und ihre Ressourcen vereinnahmt. So sehr, dass die Hoffnung, den nächsten Generationen einen bewohnbaren Planeten zu hinterlassen, gering erscheint.
Es überzeugen aber nicht nur die Fotografien, sondern auch deren kurze Begleittexte von Andrew Revkin. Der Umweltjournalist berichtet schon seit Langem über den Klimawandel, das Anthropozän oder über Umweltaktivisten. Revkin liefert unterstützende Erklärungen mit meist wertvollen Hintergrundinformationen. So zeigt eines der Fotos tausende rosa und weiße halbrunde Kleckse, die wie Blätter von Blüten aussehen; aus dem Text geht aber hervor, dass es um Tische herum angeordnete Plastikstühle sind, aufgestellt zum Fest des Krebsessens im chinesischen Xuyi. Dort gedeihen die »kleinen Hummer« genannten Tiere auf Grund ihrer robusten Konstitution in Aquazucht ohne Pestizide. Den Vorteil haben die dortigen Farmer erkannt; als Teil von Umweltkontrollmaßnahmen bauen sie ein System auf, das es Konsumenten erlauben soll, die Herkunft der gekauften Tiere zu erkennen.
Im Nachwort berichtet Steinmetz, er habe ursprünglich eigentlich kein Umweltschützer sein wollen. Als junger Mann habe er rein beobachtend, journalistisch die Welt betrachten und beschreiben wollen, ohne die Menschen zu missionieren. Jetzt aber, 40 Jahre später, sieht er das anders. Er war Zeuge davon, wie schnell die Bevölkerung wächst und in einstige Wildnis vorstößt, wie natürliche Lebensräume schwinden und weit verzweigte Straßennetze in frühere Wälder eindringen. Heute möchte er nicht mehr nur Beobachter sein, sondern mit seinen Bildern die Menschen zu Veränderungen bewegen. Wer die Fotografien angesehen hat, den lässt das Buch zumindest tief berührt zurück.
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