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Unsinn auf Stelzen

Bewusstsein ist kein Produkt von Hirnprozessen, sondern existiert in der Welt, erklären zwei Autoren. Doch ihre Argumente sind dürftig.

Angenommen, die Welt und unser Leben hätten einfach keinen Sinn. Außer dem, den wir ihnen zuschreiben. Den wir uns ausdenken, ohne dass es dafür einen tieferen, allgemein gültigen Grund gäbe. Fänden Sie das schlimm?

Immerhin, jeder könnte es dann mit dem Sinn halten, wie er will: Für den einen liegt er im Genuss, für den anderen in der Fortpflanzung, für den nächsten in Erleuchtung oder im Gedeihen einer kickenden Borussia. Enttäuscht es Sie, dass wir uns all diese Sinnentwürfe nur selbst vormachen, dass kein echter, kein realer Sinn existiert?

Dann dürfte Ihnen dieses Buch aus der Seele sprechen. Es will, kurz gesagt, den Sinn retten, indem es Bewusstsein nicht im Gehirn, sondern in der Welt da draußen verortet. Denn wäre Bewusstsein ein bloßes Produkt neuronaler Prozesse, könnten wir uns darauf nicht verlassen. Bewusstsein wäre nur ein Hirngespinst, eine Illusion ohne Basis.

Liegt die Mainstream-Wissenschaft falsch?

Das darf nicht sein, finden der italienische KI-Forscher Riccardo Manzotti und die Bankerin und Autorin Anne Hashagen. Deshalb verfassten sie ein Plädoyer für die Spread-Mind-Theorie. Diese besagt: Mein Bewusstsein eines Gegenstands ist der Gegenstand – es ist identisch mit ihm oder irgendwie damit verschmolzen. Es ist jedenfalls nicht nur eine verzerrte, der biologischen Arterhaltung dienende Form der Wahrnehmung. Sinn ist da, wir müssen ihn nur ergreifen!

Mit großer Ausdauer beschwören die Autoren, Bewusstsein sei eins mit der Welt. Wahlweise heißt es auch, beide seien identisch, würden miteinander verschmelzen oder eines durch das andere »in Existenz gebracht«. Das sind freilich sehr verschiedene Dinge – was eins wird oder verschmilzt, war zunächst getrennt, folglich nicht identisch. Und »in Existenz bringen« lässt sich vielfältig interpretieren.

Ebenso unklar bleibt, warum Bewusstsein nur dann »real« sein könne, wenn es in der Welt, nicht aber im Gehirn existiert. Auch Illusionen sind reale Phänomene, und laut Forschern hat Bewusstsein vielfach illusionären Charakter. Für Manzotti und Hashagen ist das jedoch nur die falsche Sichtweise der Mainstream-Wissenschaft, die sie widerlegen wollen.

Allein, es macht vorn und hinten keinen Sinn. Noch mehr als die akademische Philosophie kranken solche Welterklärungsbücher daran, was Sprachanalytiker das »Demarkationsproblem« nennen. Welche Thesen sagen überhaupt etwas aus, und welche sind von vornherein auf Sand gebaut? Was lässt sich vernünftigerweise behaupten, und wo beginnt bedeutsam raunender Unfug?

Ein einziges Kapitel von neun Seiten Länge versucht sich an einer Erklärung der »Theorie«. Das überaus schlichte Argument: Von subjektivem Erleben, Gefühlen, Sinn und so weiter ist im Gehirn nichts zu finden. Alles, was es dort gibt, sind Neurone. Doch genauso wenig findet man subjektive Zustände im Rest der Welt (ja, auch Gehirne sind ein Teil von ihr, die strikte Gegenüberstellung der beiden ist eigentlich witzlos!).

Hochtrabende Wohlfühlprosa

Alles vor diesem neunseitigen Kapitel ist eine einzige Abrede, worin Bewusstsein nicht bestehen kann, und alles danach Wohlfühlprosa. Ziemlich genau in der Mitte des Buchs wechselt der Ton vom dozierenden zum appellativen, hier schob Manzotti wohl die Tastatur an Hashagen weiter. Werden im ersten Teil noch große Konzepte wie Identität, Existenz und Welt behandelt, geht es im zweiten darum, was digitale Medien mit uns machen, wie wir zu uns selbst finden und warum Liebe überall ist.

Das Buch erweckt den Anschein, es wolle zu einem neuen, objektiven Denken anregen – doch wer seinen Verstand bemüht, wird laufend frustriert von einer Flut hochtrabender, aber schwer zu fassender Begriffe. Der englische Philosoph Jeremy Bentham sprach in solchen Fällen von »nonsense on stilts« – Unsinn auf Stelzen. Manche Thesen, so könnte man auch sagen, sind so unklar, dass sie noch nicht einmal falsch sind.

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