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Roms Hoffnungsträger

Das vorliegende Buch begleitet die gleichnamige Ausstellung im Museum und Park Kalkriese, die vom 20. Juni bis 1. November dauert. Schon das moderne Titelbild mit der optisch veränderten Marmorbüste des Nero Claudius Germanicus (15 v. Chr. bis 19 n. Chr.) besticht. Das Haupt des römischen Feldherrn ist umrahmt von türkisen, lila und pinken Neonfarben. Auf der Stirn zeichnen sich diffuse, landkartenähnliche Strukturen ab. Spiegeln sie Germanicus’ Visionen künftiger Feldzüge wider?

Im Kontrast zum verspielten Cover orientieren sich die Autoren der 14 Textbeiträge (darunter Historiker, Archäologen und Wehrtechnikspezialisten) an harten Fakten. Sie verknüpfen antike Schriftquellen, Bodenfunde und aktuelle Forschungsergebnisse, um eine Gesamtschau der römischen Germanenpolitik in den ersten beiden Jahrzehnten nach der Zeitenwende zu erstellen. Die Autoren befassen sich unter anderem mit Heereslogistik und militärischer Infrastruktur am Rhein, insbesondere in der Zeit nach den erfolgreichen Feldzügen von Tiberius (42 v. Chr. bis 37 n. Chr.) und Drusus (38-9 v. Chr.). Ebenso diskutieren sie, wo sich die Varusschlacht mutmaßlich zugetragen hat – ein nach wie vor kontroverses Thema, auch wenn vielen Forschern inzwischen Kalkriese als Favorit gilt.

In den Sümpfen und Wäldern Germaniens

Der Fokus des Buchs liegt auf jenem Feldherrn, dessen Büste den Einband ziert und der den Ehrennamen "Germanicus" von seinem Vater Drusus geerbt hatte. Von Kaiser Tiberius adoptiert, galt er nach glänzender Ämterkarriere in Rom als dessen vielversprechender Nachfolger. Zunächst musste er sich jedoch auf Feldzügen in die elbgermanischen Gebiete bewähren, die die Niederlage der Varusschlacht rächen sollten. Obgleich der fähige, oft risikofreudige Heerführer über eine gewaltige Streitmacht und tausend Schiffe verfügte, gelang ihm der endgültige Sieg über die germanische Koalition des Cheruskerfürsten Arminius auch nach drei Kriegsjahren nicht. Nordische Kälte, schwere Unwetter, Morast und Sturmfluten behinderten das Heer und schwächten den Kampfgeist der Legionäre. Als Verdienst konnte sich Germanicus allerdings die Bestattung mutmaßlich römischer Gefallener der Varusschlacht anrechnen, ebenso wie die Rückgewinnung zweier Legionsadler, die 16 n. Chr. mit einem Triumph in Rom gefeiert wurde.

Der Militärstratege Tiberius erkannte die Nutzlosigkeit der Kämpfe und schickte seinen Feldherrn auf wichtigere diplomatische Missionen in den Osten des Reichs. In Griechenland wurde Germanicus Olympiasieger im Wagenrennen. Im syrischen Antiochia erkrankte er plötzlich und unerwartet und starb unter nie aufgeklärten Umständen. Sein Tod stürzte das ganze Reich in tiefe Trauer, denn er war bei Heer und Volk ungewöhnlich beliebt gewesen. Obwohl nicht immer siegreich, überzeugte er – im Gegensatz zu Tiberius – mit natürlichem, konziliantem Wesen und besonderem Charisma.

Römischer Sündenpfuhl

Nach Germanicus’ Tod musste Tiberius die Kaisernachfolge neu regeln. Staunend erfährt der Leser, welche Möglichkeiten sich einer aristokratischen Patchwork-Familie wie der des Tiberius in diesem Zusammenhang boten. Adoption, Ehescheidung, Verbannung, Mord und Hungertod waren legitime Mittel; sie wurden hart und skrupellos eingesetzt. In diesem "Sündenbabel" hatten Germanicus und seine Gattin Agrippina maior, die sich lebenslang treu geblieben waren und neun Kinder gezeugt hatten, von denen sechs überlebten, eine ruhmreiche Ausnahme gebildet – ein Vorbild römischer häuslicher Tugend.

Historisch interessierte aller Altersstufen werden "Ich Germanicus" mit Gewinn lesen. Dazu tragen nicht zuletzt das reiche Bild- und Kartenmaterial und die weiterführenden Literaturangaben bei. Das Abbildungsverzeichnis wünscht man sich allerdings übersichtlicher.

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