»Im Erdboden versinken?«: Chronische Scham lässt sich bekämpfen
Arbeitet man schambehaftete Erlebnisse nicht auf, kann das einen Teufelskreis in Gang setzen – und Betroffene daran hindern, in sozialen Situationen entspannt zu agieren. Psychotherapeutin, Supervisorin und Coachin Ilse Sand widmet sich in ihrem kompakten Buch dem Gefühl, im Erdboden versinken zu wollen, auf eine besondere Art. Sie ist mit der Leserschaft gleich per du und schildert nicht nur, woher chronische Scham kommt, sondern auch, wie man sie bewältigen kann.
Angenehm ist, dass sie ihr Buch nicht als Allheilmittel für Scham präsentiert. Häufig weist sie darauf hin, wie wichtig es ist, diese negativen Gefühle mit anderen Personen zu teilen. So könne neben einer Psychotherapie eine Freundschaft gut geeignet sein, um positives Feedback zu erhalten und zu erkennen, dass schambehaftete Erlebnisse nicht so verheerend sind, wie sie zunächst erlebt werden. »Was nämlich in einer Beziehung kaputtgegangen ist, muss auch in einer Beziehung repariert werden«, davon ist Sand überzeugt. Jedoch gelte es ebenso, manche Beziehungen kritisch zu hinterfragen – denn eine missglückte Dynamik im Umgang miteinander, die aus der Scham resultiert, bestehe oft über Generationen hinweg.
Die Autorin hält die Kapitel ihres Buchs sehr kurz und lässt dabei viele O-Töne ihrer Klientinnen und Klienten einfließen. Ein Literaturverzeichnis findet sich zwar am Ende des Buchs, direkt im Text gibt es jedoch keine Verweise auf entsprechende Quellen. Das lässt die Darstellung mitunter etwas oberflächlich wirken, passt aber gut zur gewählten Erzählform mit persönlicher Ansprache.
Sand schafft es, die Leserschaft für ein unangenehmes und gern verdrängtes Thema zu sensibilisieren. Praktisch hilfreich sind die Übungen und Zusammenfassungen jeweils am Kapitelende. Ein Selbsttest, dessen Ergebnis gleich eingeordnet wird, hilft bei der Beantwortung der Frage, ob man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollte. Insgesamt gibt das Buch gute Impulse, sich mit Schamgefühlen konstruktiv auseinanderzusetzen. Wer sich eingehender mit ihren Ursachen und deren Aufarbeitung beschäftigen möchte, wird freilich weitere Literatur zur Vertiefung benötigen.
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