»Ins All«: Der Erste sein
Der Kalte Krieg hatte viele Erscheinungsformen. Nicht alle davon waren auf die Erde beschränkt. Auch die Raumfahrt wurde dafür instrumentalisiert, die Überlegenheit der eigenen Ideologie – Kommunismus oder Kapitalismus – zu beweisen. Nur vor diesem Hintergrund lässt sich erklären, warum Sowjetbürger und US-Amerikaner in den 1950er und 1960er Jahren so erbittert darum gekämpft haben, die Ersten im Weltall zu sein.
Die erste bemannte Raumfahrtmission
Der US-amerikanische Autor und Dokumentarfilmer Stephen Walker widmet sich im Buch »Ins All« der ersten bemannten Raumfahrtmission. Seine fundiert recherchierte Geschichte ist ungemein spannend erzählt und bringt die Protagonisten beider Seiten des Eisernen Vorhangs durch unzählige Originaltöne nahe.
Zu Beginn der Raumfahrt hatte die Sowjetunion lange Zeit die Nase vorn. Sie schickte den ersten Satelliten ins All und überflog damit den amerikanischen Kontinent – in Anbetracht des gerade erst beendeten Zweiten Weltkriegs und der Angst vor einem dritten stellte das eine durchaus ernst zu nehmende potenzielle Bedrohung für das amerikanische Volk dar. Auch der erste Mann im All war Russe, Juri Alexejewitsch Gagarin, der am 12. April 1961 in der Raumkapsel »Wostok« (»Osten«) in die Erdumlaufbahn geschossen wurde und nach einer Umrundung der Erdkugel mit Hilfe eines Fallschirms sicher wieder auf einem Acker nahe der Stadt Engels im Wolga-Gebiet landete – eine Pioniertat, die ihn auf einen Schlag weltberühmt machte.
Walker beschreibt die Erfolge und Rückschläge auf russischer und auf amerikanischer Seite in abwechselnden Kapiteln. Dabei fällt auf, wie ähnlich beide Geschichten abliefen und wie lange offen blieb, wer am Ende das Rennen machen würde. Letztlich waren die Sowjets die Ersten, weil sie leistungsfähigere Raketen hatten und das größere Wagnis eingingen. Während die Sowjetunion die erste bemannte Raumfahrtmission vorbereitete, setzen die USA noch auf unbemannte Tests und Tierversuche. Hierzu trug auch das politische System bei, das von Kosmonauten eine Unterordnung unter das Gemeinwohl forderte, während in den USA der Individualismus großgeschrieben wurde.
Die Unterschiede zwischen beiden politischen Systemen arbeitet Walker deutlich heraus: Auf der einen Seite das streng geheime Raumfahrtprogramm der Russen – so geheim, dass nicht einmal die Ehefrauen der zu Kosmonauten ausgebildeten Piloten davon wussten und dass die Identität des Chefkonstrukteurs des sowjetischen Raketenprogramms Sergei Pawlowitsch Koroljow erst nach seinem Tod offenbart wurde. Auf der anderen Seite die US-amerikanischen Astronauten, die beinahe wie Rockstars im Rampenlicht standen. Dabei bleibt Walker neutral und schreibt mit Wertschätzung für beide Seiten. Position bezieht der Autor dagegen im dunklen Kapitel der Geschichte der Raumfahrt: Um die Sicherheit der Flüge zu testen, mussten unzählige Kleinsäuger, Hunde und Affen leiden und oft ihr Leben lassen.
Dass der erste Mensch, der die Erdumlaufbahn erreicht hat, ein Russe war, war ein nationaler Schock für die Amerikaner. Als Reaktion darauf räumte Präsident Kennedy danach der Raumfahrt oberste Priorität ein und setzte das ehrgeizige Ziel, den ersten Mann auf den Mond zu bringen. Nur acht Jahre nach Gagarins Erfolg ist das mit Neil Armstrong gelungen – vielleicht so schnell, weil ihm auch hier wieder die Sowjetunion im Nacken saß. Aber die Mondlandung ist eine andere Geschichte und soll – vielleicht wieder von Walker – ein andermal erzählt werden.
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