Mainzer Medienrevolutionär
Es gibt nur wenige Erfindungen, die den Lauf der Geschichte derart verändert haben wie die des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern. Über dessen Erfinder, den Mainzer Johannes Gutenberg (um 1400-1468), sind viele Bücher geschrieben worden – sowohl akademische als auch für ein breites Lesepublikum angelegte. In die letzte Kategorie fällt das vorliegende Buch von Maren Gottschalk. Souverän im Umgang mit den Quellen, klar strukturiert und sprachlich auf hohem Niveau porträtiert die Autorin, die in München Geschichte und Politik studiert hat, den »Mann des Jahrtausends«.
Im Sinne von Georg Christoph Lichtenbergs (1742-1799) Diktum, wonach das Blei in den Setzkästen die Welt mehr verändert hat als das Blei in den Kugeln, begibt sich Gottschalk auf die Spuren des Genies Gutenberg, über dessen Erfindung mehr bekannt ist als über ihn selbst. Die Autorin taucht ein in die engen Gassen des spätmittelalterlichen Mainz, wo ihr Protagonist seine Kindheit verbrachte; sie spürt in den Matrikelbüchern der Erfurter Universität einen »Johannes de alta villa« auf, den sie schlüssig kombinierend mit Gutenbergs zweitem Heimatort Eltville im Rheingau in Verbindung bringt; und sie präsentiert im Zusammenhang mit dem Erbstreit, der nach dem Tod des Vaters 1420 unter den Familienmitgliedern ausbrach, die erste schriftliche Erwähnung Johannes Gutenbergs.
Rätselhafte Wanderjahre
Die Autorin hat den Blick für das Wesentliche. Kurz, aber für das Verständnis der historischen Zusammenhänge hinreichend umfangreich, skizziert Gottschalk die Welt, in die der Patriziersohn aus Mainz hineingeboren wurde. Sie erläutert sachkundig die sozialen und religiösen Verwerfungen der damaligen Zeit, die zugleich Um- und Aufbruchszeit war, und steckt so den Rahmen ab, in dem sich der Erfinder der »Schwarzen Kunst« bewegte. Überzeugend auch, wie die Autorin gerade dort, wo sich Gutenberg im Dunkel der Geschichte verliert, Erhellendes zu seinem möglichem Verbleib beizutragen vermag. Etwa im Hinblick auf dessen Wanderjahre zwischen 1428, als Gutenberg seiner Heimatstadt den Rücken kehrte, und 1434, als er als Jungunternehmer im metallverarbeitenden Gewerbe im elsässischen Straßburg wieder auftauchte. Gottschalk versucht zu beantworten, wo der Erfinder die für Straßburg nachgewiesenen technischen Fertigkeiten erworben haben könnte, und spielt dabei einige Varianten durch. In die engere Wahl fallen Nürnberg, wo 1390 die erste Papiermühle Deutschlands in Betrieb ging und das metallverarbeitende Gewerbe hoch im Kurs stand, sowie Basel, wo sich zu dieser Zeit die Humanisten Europas versammelten und der »Bücherhunger« besonders groß war.
Neben Analyse, Reflexion und profunder Sachkenntnis besticht das Buch durch wissenschaftlichen Transfer. Besonders hervorzuheben sind die Passagen, in denen die Erfindung des »Jahrtausendmanns« ihre welthistorische Würdigung findet. Gottschalk stellt die Drucktechnik mit beweglichen Metalllettern, die vor rund 550 Jahren eine Medienrevolution auslöste, auf eine Stufe mit der Digitalisierung heute. Um das grundstürzend Neue von Gutenbergs Erfindung hervorzuheben, blickt sie zurück in die Zeit davor, in der Bücher aufwändig von Hand abgeschrieben wurden, und diese Manuskripte (von lateinisch: manus, »die Hand«, und scribere, »schreiben«) auf einen exklusiven Kreis von Leserkundigen beschränkt blieben. Gutenbergs Erfindung, so Gottschalk, änderte dies grundlegend: Mithilfe des mechanischen Buchdrucks konnten Bücher fortan schnell, preiswert und in hoher Stückzahl vervielfältigt werden; das in ihnen vermittelte Wissen ließ sich somit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.
Wer sich kurz und knapp, aber dennoch fundiert über den »Jahrtausendmann« Gutenberg und sein historisches Wirken informieren möchte, liegt mit Gottschalks Buch goldrichtig.
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