»Kaffee Mohn Kaktus«: Drogen aus dem Garten
Psychoaktive Pflanzen üben seit jeher eine Faszination auf den Menschen aus. Der amerikanische Journalist und Hobbygärtner Michael Pollan hat eine besondere Schwäche für sie und stellt in seinem Buch die Kulturgeschichte von drei bedeutsamen Vertretern vor.
Da Drogen der Hauch des Verbotenen anhaftet, überrascht es zunächst, dass die erste psychoaktive Substanz, die Pollan vorstellt, völlig legal in einem der am häufigsten konsumierten Genussmittel enthalten ist: Das Purinalkaloid 1,3,7-Trimethylxanthin – allgemein bekannt als Koffein – wird von der Kaffeepflanze (Coffea arabica) produziert. Dieser ist auch das erste Pflanzenporträt gewidmet, zwei weitere dem Schlafmohn (Papaver somniferum) mit seinem beruhigenden Inhaltsstoff Opium sowie dem Peyote-Kaktus (Lophophora williamsii), der die bewusstseinserweiternde Substanz Meskalin enthält.
In allen drei Geschichten nimmt Pollans persönliche Erfahrung einen besonderen Stellenwert ein. Er trinkt regelmäßig Kaffee und nähert sich der Wirkung von Koffein, indem er für einige Wochen darauf verzichtet und anschließend eine Tasse Kaffee bewusst auf sich wirken lässt. Koffein stimuliert das Zentralnervensystem: Es ähnelt strukturell dem Botenstoff Adenosin und verhindert, dass dieser dem Körper ein Ruhebedürfnis signalisiert.
Anhand seiner körperlichen und psychischen Symptome während des »kalten Koffeinentzugs« veranschaulicht Pollan eindrucksvoll seine Koffeinabhängigkeit, mit der er sicherlich nicht allein dasteht. Zugleich verknüpft er die Entdeckungsgeschichte des Koffeins mit der gesellschaftlichen Entwicklung und spekuliert, wie Kaffee und Tee die Leistungsfähigkeit von Menschen steigerten und die industrielle Revolution möglich gemacht haben könnten.
Das Schlafmittel Opium, eine Mischung aus Morphin und anderen Alkaloiden, fällt im Gegensatz zum Koffein in den USA und Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz. Daher ist der Konsum illegal. Für eine Zeitungsreportage kultivierte Pollan vor rund 30 Jahren Schlafmohn in seinem Garten, um einen opiumhaltigen Tee herzustellen. Da juristische Konsequenzen drohten, konnte der Beitrag nicht veröffentlicht werden. Der Kampf der amerikanischen Regierung gegen Drogenkonsum nahm absurde Formen an: Etwa zeitgleich konnte die Pharmafirma Purdue der Familie Sackler das stark süchtig machende Opioid Oxycontin in Umlauf bringen. Das legale Schmerzmittel hat bis heute hunderttausende Menschen abhängig gemacht und in Amerika die noch immer anhaltende »Opioidkrise« ausgelöst.
Das im Peyote-Kaktus enthaltene Meskalin ist eine bewusstseinserweiternde Substanz, ein so genanntes Psychedelikum. Auch sein Konsum ist illegal, davon ausgenommen ist allerdings die indigene Bevölkerung Nordamerikas. Für sie ist der Peyote ein traditionelles Heilmittel, und sein Verzehr gilt in der Native American Church als Sakrament. Pollan schildert seine Bemühungen, unter den Beschränkungen der Corona-Pandemie Zugang zu traditionellen Heilern zu bekommen, die Peyote einsetzen und ihm am Ende die Teilnahme an einem Peyote-Ritual ermöglichen.
Alle drei Pflanzenporträts sind in sich abgeschlossene Geschichten mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Herangehensweisen. In jeder von ihnen lässt sich Neues entdecken, wobei aus europäischer Sicht die Kulturgeschichte des Kaffees besonders lesenswert erscheint.
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