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Wunderbare Wirbelwürmer

Sebastian Lotzkat, Biologe und passionierter Science Slammer, liebt Schlangen. Und das merkt man auf jeder Seite seines Erstlingswerks, mit dem er einen angenehm frischen Wind in den Sachbuchmarkt bringt. Darin räumt er ordentlich auf mit Klischees rund um die faszinierenden Reptilien. Der Band ist herrlich unprätentiös geschrieben, und der Autor findet klare Worte für die üble Nachrede, der sich Schlangen ausgesetzt sehen ("Bullshit").

Lotzkat hat einen Science Slam in Buchformat produziert, der vollends überzeugt. Die Zielgruppe ist klar umrissen. Alle, die gute Science Slams zu schätzen wissen; alle, die eine solche Veranstaltung schon lange mal besuchen wollten; alle Reptilienliebhaber sowie nicht zuletzt alle Schlangenphobiker können hier beherzt zugreifen.

Zunächst beleuchtet Lotzkat das Verhältnis von Mensch und Schlange und dessen Kulturgeschichte. Sie reicht von Schöpfungsmythen und steinzeitlichen Elfenbeinschnitzereien bis zur schlangentanzenden Salma Hayek im Kultfilm "From Dusk Till Dawn". Schnell wird klar, dass Menschen sich damals wie heute kaum um biologische Realitäten scher(t)en. Hollywood beispielsweise opfert den guten Ruf der Tiere nur allzu bereitwillig einer mehr oder weniger billigen Schockszene, die Aufmerksamkeit seitens des Publikums verheißt. Wie lautet noch gleich der Lieblingsspruch des berühmten peitschenschwingenden Archäologen? Richtig: "Ich hasse Schlangen."

Zum Angstobjekt stilisiert

Dass die fiktive Darstellung der "Wirbelwürmer" so gut wie nie etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat, erläutert der Autor nachdrücklich und pointiert. Man hat es bereits geahnt, aber: Schlangen sind eben keine Menschen jagenden Killerbestien, sondern gehen Ärger mit dem meist viel größeren und daher nicht ins Beutespektrum passenden Homo sapiens aus dem Weg. Besonders Pseudodokumentationen amerikanischer Prägung tragen zum Zerrbild der Schlange bei – und bekommen konsequenterweise im Buch ihr Fett weg.

Einmal warmgelaufen, nimmt Lotzkat alle möglichen einschlägigen Gerüchte und Vorurteile auseinander. Nein, Schlangen können keine galoppierenden Pferde überholen, und Autos nur dann, wenn diese langsamer fahren als 13 Kilometer pro Stunde. Weder tötet ihr Gift binnen Sekunden, noch werden sie von Knoblauch ferngehalten – ebenso wenig, wie sie springen, hypnotisieren oder mit dem Schwanz zustechen können.

Lotzkat verschweigt nicht, dass es unter den 3600 bekannten Schlangenarten etwa 800 wirklich gefährliche gibt, entweder ihrer Größe oder ihres Gifts wegen. Beides behandelt der Autor in den entsprechenden Kapiteln ausführlich. Bedrohlich werden Schlangen aber in aller Regel nur, wenn der Mensch sich ihnen unvernünftig nähert oder beide versehentlich in eine Situation geraten, die einen Rückzug des Tiers unmöglich macht. Armut und mangelnde Bildung erhöhen leider das Risiko dafür, wie Lotzkat darlegt. Die deutschen Leser können jedenfalls aufatmen: Hier zu Lande sind Schlangen zu selten und zu klein, haben zu kurze Zähne oder ein zu schwaches Gift, um uns wirklich gefährlich zu werden.

Keine Schluckbeschwerden

Einige Kapitel widmet Lotzkat der Evolution und Systematik der Tiere und beleuchtet dabei, was die Schlange zur Schlange macht. Ein fehlendes Brustbein oder ein fehlendes Kinn etwa sind klare Anhaltspunkte. Thematisiert werden auch die Sinneswahrnehmungen und Jagdstrategien der Reptilien sowie ihre zweifellos faszinierende Fähigkeit, riesige Beutetiere hinunterzuschlingen.

Vom Einsatz des Schlangengifts für medizinische Zwecke über Minischlangen und Schneckennattern bis hin zu panisch ihren Darm entleerenden Bodenschlangen weiß Lotzkat eine Menge Interessantes zu berichten. Einziger Wermutstropfen: Bei einer solch bunten, form- und artenreichen Tiergruppe wäre das eine oder andere Farbfoto angemessen gewesen. Außer einigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die hier und da eingestreut sind, findet sich aber kaum Anschauungsmaterial. Positiv hervor stechen die Steckbriefe der sechs in Deutschland heimischen Arten, leider aber auch nur mit Schwarz-Weiß-Bildern versehen. Abschließend präsentiert Lotzkat noch ein paar Verhaltenstipps für den Fall, dass man wirklich einmal einer Schlange über den Weg läuft und die Begegnung unerfreulich ausgeht.

"Keine Bange vor der Schlange" ist amüsant und faktenreich, ohne sich in Details oder Fachsprache zu verlieren. Eingestreute Anekdoten und Reisegeschichten in bester Science-Slam-Manier kommen dem Lesevergnügen zugute.

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