Sciencefiction befruchtet Science
Seit Jahrhunderten haben sich Wissenschaft und erzählende Literatur gegenseitig beeinflusst und befruchtet. Ein herausragendes Beispiele sind Jules Vernes Romane "Von der Erde zum Mond" (1865) und "Reise um den Mond" (1870), die den Raumfahrtgedanken erstmals auf eine realistische Grundlage stellten und fast alle wichtigen Raumfahrtpioniere von Konstantin Ziolkowski bis Hermann Oberth inspirierten. Seltener sind die Fälle, in denen Wissenschaftler selbst versuchen, ihre Forschungen in Romanform zu verbreiten. Wernher von Braun (1912-1977) tat das, um sein Marsprojekt zu bewerben, und Johannes Kepler (1571-1630) ließ sich mit Hilfe eines Dämons fiktiv zum Mond befördern, um seine Ideen einem breiteren Publikum in spannender Erzählform zu vermitteln. Und diese Geschichte des berühmten Astronomen ist es, die dem Sachbuch von Elmar Schenkel, in Leipzig Professor für englische Literatur, den Titel gibt.
Das Buch handelt vom Zusammenspiel von Wissenschaft und literarischer Imagination. Wer beispielsweise beabsichtigt, sich mit Quantenphysik zu beschäftigen, dem kann man als mentale Einstimmung die Lektüre von "Alice im Wunderland" empfehlen – skurriler als in Lewis Carolls Roman geht es auch in der Welt der kleinsten Teilchen nicht zu. Nach Meinung Schenkels hat man sich erst in den letzten Jahrzehnten diesen wechselseitigen Beziehungen beider Disziplinen zugewandt. Dem ist zu entgegnen, dass bereits im Jahr 1909 Max Popp mit seinem Buch "Jules Verne und sein Werk" den Zusammenhang zwischen Fiktion und Wissenschaft nicht nur bei Verne, sondern auch bei dessen Nachfolgern in großer Ausführlichkeit behandelt hat.
Kalkulationen zur Unterwelt
Schenkel geht sein Thema systematisch an. Er unterteilt sein Buch in die vier Gebiete Mensch, Raum/Zeit, Materie und Technik. Das Kapitel "Mensch" beginnt mit Mary Shelleys "Frankenstein", des ersten echten Sciencefiction-Romans, wie manche meinen. Sherlock Holmes war einer der ersten streng wissenschaftlich und logisch vorgehenden Detektive. Diese Beispiele sind vielen bekannt, aber warum der französische Schriftsteller Gustave Flaubert (1821-1880) an den Wissenschaften verzweifelte, dürfte den meisten Lesern neu sein. Es sind nicht nur Sciencefiction-Romane, in denen die Wissenschaft manchmal eine wichtige Rolle spielt: Unter anderem erfahren wir, was Dantes "Göttliche Komödie" mit Kosmologie zu tun hat. Galilei machte sogar den Versuch, die Ausmaße von Dantes Hölle streng mathematisch zu berechnen.
Häufig regen neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder technische Entwicklungen vor allem Sciencefiction-Autoren an, sich damit in erzählender Form auseinanderzusetzen. Von besonderer Bedeutung ist der umgekehrte Weg, wenn bestimmte Forschungsgebiete erst durch fiktive Geschichten auf den Weg gebracht werden. Daraus ergibt sich die zeitliche Abfolge der Fantasten und Träumer, der Theoretiker und der Ingenieure. Herausragende Beispiele liefern die Raumfahrt und die Robotik. Elmar Schenkel hat sich also ein wichtiges Thema vorgenommen, das für einen Literaturwissenschaftler sicher abseits vom Mainstream liegt. Er hat dies mit der notwendigen Gründlichkeit, aber dennoch in gut lesbarer, unterhaltsamer Form getan.
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