Kinderwünsche und Wunschkinder
Das Werk von Barbara Bleisch und Andrea Büchler geht uns alle etwas an. Den Fragen, denen die Autorinnen von »Kinder wollen« nachgehen, müssen wir uns stellen. Es geht nicht nur darum, sich in jener Lebensphase mit dem Thema auseinanderzusetzen, in der es uns womöglich dringend nach Antworten verlangt. Es geht auch darum, wie wir als Gesellschaft das Ob und Wie des Kinderkriegens aushandeln.
Selbst wenn unser eigener Lebensentwurf keinen Nachwuchs vorsieht, müssen wir möglichst faire und an die Bedürfnisse und technischen Möglichkeiten unserer Zeit orientierte Regeln für das Kinderkriegen festlegen. Ein Wunsch nach Nachwuchs formt sich nicht im »Vakuum«, wie Büchler und Bleisch betonen – und die damit verbundenen Fragen müssten stetig neu verhandelt werden. Das Buch der Philosophin und der Rechtswissenschaftlerin ist eine sehr gute Grundlage dafür, sich selbst mit dem Thema auseinanderzusetzen – und sich mit anderen darüber auszutauschen. Der Schlüsselbegriff ist die »reproduktive Autonomie« – das »grundsätzliche Recht (…), Kinder zu zeugen oder auf die Reproduktion zu verzichten«.
Über selbstbestimmte Fortpflanzung sprechen
Ist es moralisch in Ordnung, ohne medizinische Notwendigkeit Eizellen einfrieren zu lassen, um Zeit zu gewinnen? Sollten wir trotz Überbevölkerung und Klimawandel Kinder überhaupt in die Welt setzen? Und wer kann sagen, ob das Leben eines werdenden Kindes, bei dem ein vorgeburtlicher Test eine Behinderung voraussagt, ein erfülltes werden kann? Solch vielfältigen Fragen rund um die selbstbestimmte Fortpflanzung stellen sich Büchler und Bleisch. Sie bilden dabei gegensätzliche Positionen von Persönlichkeiten aus den Rechts- und Politikwissenschaften, dem Frauenrechtsaktivismus, der Medizinethik und der Philosophie ab. Jeder Abschnitt ist in sich geschlossen. Die Autorinnen bieten somit Gelegenheit, das Buch beiseitezulegen, das Gelesene nachklingen zu lassen und mit anderen über das vielschichtige Thema zu sprechen.
Ihr Fazit: Das Machbare, Wünschenswerte und moralisch zu Rechtfertigende müssen letztendlich diejenigen gegeneinander abwägen, die die Verantwortung für die Entscheidung für oder gegen ein Kind ein Leben lang tragen. Derweil sei es an uns allen, am Kontext zu arbeiten, in dem sich ein Kinderwunsch formt: So müssten wir die Gleichstellung von Frauen sowie die Inklusion von Menschen vorantreiben, die von Konstrukten wie »normal« oder »gesund« abweichen.
Bleisch und Büchler wägen in anregender Sprache ab, argumentieren strukturiert und fahren ein üppiges Literaturverzeichnis auf. Ihr Werk macht deutlich, wie vielschichtig das Thema »Kinder in diese Welt setzen« ist und regen dazu an, darüber nachzudenken, was wir unter Familie verstehen, wie wir Geschlechterbilder konstruieren und welche Bedeutung wir Fruchtbarkeit und Elternschaft beimessen.
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