»Klima außer Kontrolle«: Kein ausreichender Schutz vor Extremereignissen
Mehr als 100 Menschenleben hat die Flut im Ahrtal im Jahr 2021 gefordert. Tausende haben ihr Hab und Gut verloren. Wie kann es sein, dass die Wassermassen viele Bürgerinnen und Bürger so unvorbereitet trafen? Dass Menschen überdies durch Hitzewellen oder Erdrutsche zu Tode kamen – Extremereignisse, die Fachleute auf die Erderwärmung zurückführen?
Diesen Fragen spüren die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres in ihrem neuen Buch »Klima außer Kontrolle« nach und kommen zu einem ernüchternden Ergebnis: Seit Jahren versäume es Deutschland, sich angemessen auf den Klimawandel vorzubereiten. Fehlender politischer Wille, bürokratische Hürden und gegensätzliche Interessen stünden der Anpassung entgegen, so das Fazit der Autorinnen.
Erkennbar werde das unter anderem am Hochwasserschutz: So genannte Überschwemmungsgebiete sollen eigentlich vor Flutkatastrophen schützen und dürfen deshalb nicht bebaut werden. Dennoch ermöglichen Ausnahmen des entsprechenden Gesetzes es den Gemeinden oft, sie in lukratives Bauland umzuwandeln. Für präventive Klimaschutzmaßnahmen gebe es hingegen wenig Geld.
Nicht bloß Schwarzmalerei
Götze und Joeres analysieren Deutschlands Defizite beim Klimaschutz prägnant und mit großem Fachwissen. Sie belassen es aber nicht dabei, sondern zeigen auch Lösungswege auf. Zunächst klingen manche davon vielleicht überambitioniert – etwa, wenn die Autorinnen in Anlehnung an den Philosophen Byung-Chul Han schreiben, dass wir »unser Denken und Wahrnehmen auf eine ganz neue Stufe heben müssen«. Allerdings nimmt die Erderwärmung laut dem Weltklimabericht von 2021 inzwischen massiv Tempos auf. Doch Götze und Joeres machen auch Mut, indem sie Vorteile eines umfassenden ökologischen Wandels benennen: So könnten zum Beispiel weniger Autos in Städten dazu führen, dass Parkplätze zu Grünflächen werden, die bei Hitze kühlen und bei Starkregen Wasser auffangen.
Generell sprechen sich die Autorinnen in vielen Bereichen für »naturbasierte Lösungen« zur Anpassung an die Klimakrise aus und warnen vor einem blinden Vertrauen in technikbasierte Ansätze. Letztere hätten Götze und Joeres an manchen Stellen differenzierter behandeln können – etwa beim Thema Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft, in der einige Forschende ein Mittel zur Reduzierung von CO2-Emissionen sehen.
In der Summe ist »Klima außer Kontrolle« aber ein sehr gut recherchiertes Buch, das nicht nur vor der Erderwärmung warnt, sondern auch Lust auf die dringend benötigten Schutzmaßnahmen macht.
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