Portioniertes Klimawissen
Eigentlich sei der Klimawandel ganz einfach zu verstehen, heißt es in diesem Buch unter Berufung auf ein Zitat des renommierten Klimaforschers Michael E. Mann: »Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre fängt die Wärme ein, und wir fügen der Atmosphäre stetig mehr Kohlenstoffdioxid hinzu. Der Rest sind Details.« Doch der Teufel steckt bekanntlich in genau diesen – hier in den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Implikationen, die eine Erwärmung unseres Heimatplaneten mit sich bringt. Welcher ist der richtige Weg, CO2 zu reduzieren? Wer ist verantwortlich, wenn die bodennahen Durchschnittstemperaturen um mehr als 2 Grad Celsius steigen? Wie viel hilft es, daheim Strom zu sparen, und wie funktioniert der Emissionshandel? Die Antworten auf 33 solcher Fragen hat Bernhard Pötter auf 128 Seiten zusammengefasst.
Die politische Dimension des Klimawandels ist ein Kernthema des langjährigen Klima- und Umweltjournalisten, der bereits seit 1993 für verschiedene Pressemedien schreibt. Als Buchautor ist er ebenfalls kein Unbekannter: Unter anderem erörterte er 2010, wie eine demokratische Gesellschaft den Klima- und Umweltschutz effektiver betreiben kann (»Ausweg Ökodiktatur?«), und veröffentlichte zwei Jahre davor die Essenz seiner Recherchen über Verursacher, Opfern und Profiteure der globalen Erwärmung (»Tatort Klimawandel«).
33 Aspekte
Pötters neues Buch startet bei Grundlegendem wie dem Mechanismus hinter dem Treibhauseffekt und endet bei differenzierten Betrachtungen zur CO2-Bepreisung, zum europäischen Emissionshandel oder zur Frage, welche realistischen Optionen der Menschheit noch bleiben, um eine katastrophale Erderwärmung abzuwenden. Die einzelnen Kapitel werfen Schlaglichter auf konkrete Aspekte des großen Themenkomplexes. Dabei geht es weniger um naturwissenschaftliche Zusammenhänge, sondern vielmehr um ein Verständnis der politischen und wirtschaftlichen Implikationen – und um die Frage, was jeder Einzelne tun kann.
Das vielschichtige Thema verständlich und eindrücklich zu erläutern, gelingt, weil sich der Autor einen Aspekt nach dem anderen einzeln vornimmt, die Zusammenhänge in einfachen Sätzen erklärt und dabei auf Fachwörter verzichtet. Dadurch kommen alle Kapitel (bis auf ein sechsseitiges) mit drei oder vier Seiten aus, so dass sich die Ausführungen an den meisten Stellen ziemlich kurzweilig lesen. Ob derart komprimierte Abhandlungen immer noch jeweils ein zusätzliches Fazit brauchen, wie es am Ende jedes Kapitels auftaucht, sei dahingestellt – es ist Teil des Konzepts der Reihe »33 Fragen, 33 Antworten«, in der dieser Band erschienen ist.
Gänzlich unkompliziert und quasi nebenbei führt der Autor grundlegende Begriffe und Akteure ein, etwa das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), das Zwei-Grad-Ziel oder die Kipppunkte des Klimasystems. Das erste Viertel des Buchs ist damit ein Grundkurs in Sachen Klimawandel, der sich Schritt für Schritt in komplexere Sphären vorwagt, ohne dabei trocken zu wirken oder die Leser(innen) zu überfordern.
Geschickt seziert Pötter auf dem weiteren Weg häufig gebrauchte Argumente, die scheinbar gegen Klimaschutz sprechen: etwa den beliebten Einwand, Deutschland könne mit CO2-Einsparungen sowieso nichts bewirken, da es nur zwei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verursache. Betrachtet man das CO2-Budget, das jedem Menschen zur Verfügung steht, dann verantwortet jeder Deutsche nämlich pro Jahr rund viereinhalbmal so viel wie theoretisch zulässig. Streckenweise lesen sich die Erläuterungen dadurch wie eine vorbereitende Argumentationshilfe für Auseinandersetzungen zum Thema.
Fast alle Ausführungen sind mit Zahlen unterfüttert, die transparent mit validen Quellen belegt sind. Das macht vieles anschaulicher: Dass vier von fünf Menschen noch nie in einem Flugzeug saßen, stimmt nachdenklich. Zugleich jedoch wäre hier und da ein Rechenbeispiel weniger besser gewesen. So fragt man sich, ob es drei verschiedene Rechnungen braucht, um die weltweiten Kosten für den Klimaschutz zu beziffern.
Auffällig ist, dass sich die zitierten Zahlen an verschiedenen Stellen wiederholen. Das liegt in der Natur der Sache, weil die Kapitel für sich selbst stehen. Leider sind die Angaben dabei nicht immer konsistent: Mal beziffert Pötter die Pro-Kopf-CO2-Emissionen in Deutschland auf »knapp zehn« Tonnen pro Jahr, mal auf »etwa neun« – jedenfalls in der Vorabversion des Buchs, die der Rezensentin vorlag. Das mag Haarspalterei sein, irritiert aber beim Lesen.
Wer brandneue Erkenntnisse aus der Klimaforschung erwartet, ist mit dem Buch sicherlich falsch beraten. Es fasst jedoch wichtige Aspekte des Klimawandels gut zusammen und beleuchtet differenziert die aktuelle Klimapolitik. Damit ist es eine empfehlenswerte Lektüre für diejenigen, die sich einen Überblick über den Themenkomplex verschaffen oder mehr zu einzelnen konkreten Fragen wissen möchten.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.