Zufrieden sein ist eine Kunst
Stellen Sie sich vor, Ihnen erscheint ein Flaschengeist, der Ihnen drei Wünsche gewährt. Was stände auf Ihrer Liste? Wenn Sie wie die meisten Menschen sind, beinhaltet sie wahrscheinlich ewige Schönheit, unendlichen Reichtum und Macht. Doch warum wünschen Sie sich nicht einfach Glück? Denn sind Schönheit, Reichtum und Macht nicht schlicht dazu da, Ihnen Zufriedenheit und Erfüllung zu schenken? Raj Raghunathan, Professor an der University of Texas in Austin, ging diese Frage nicht aus dem Kopf. Er beschloss, sich in unbekannte Gewässer zu begeben und sich der Glücksforschung zu widmen.
Dabei wurde er sich eines Paradoxons bewusst: Das größte Ziel der meisten Menschen ist zwar ein glückliches Leben – ihr tatsächliches Verhalten steht ihnen dabei jedoch oft im Weg. Viele intelligente und erfolgreiche Menschen begingen solche "Glücksfehltritte", wie der Autor sie nennt. Für sie hat er dieses Buch geschrieben. Er möchte ihnen zeigen, wie sich Glück und Gelassenheit mit hohem Status und IQ vereinbaren lassen.
Loslassen, um Zufriedenheit zu erlangen
Dafür beleuchtet er nach und nach sieben dieser Glücksfehltritte. So mache etwa das krampfhafte Streben nach Überlegenheit unglücklich, genauso wie Misstrauen, ein übermäßiges Kontrollbedürfnis oder die verzweifelte Suche nach Liebe. Anhand von Befunden aus der Psychologie, der kognitiven Neuroforschung sowie den Wirtschaftswissenschaften erklärt Raghunathan zunächst, warum Menschen so leicht den jeweiligen Fehler begehen. Klug und beschwingt schildert er nicht nur die Ergebnisse diverser Studien, sondern ordnet diese auch ein und thematisiert mögliche Schwachpunkte. Die Forschungserkenntnisse untermalt er mit Anekdoten über seine eigenen Glücksfehltritte. Die Offenheit, Selbstironie und Ehrlichkeit, die er dem Leser entgegenbringt, machen den Reiz des Buchs aus.
Jedem Fehltritt folgt ein "Glücksrezept", das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen oder Fallbeispielen aus der Ökonomie fußt. Raghunathan illustriert beispielsweise das erfolgreiche Geschäftsmodell des Restaurants "Karma Kitchen" im kalifornischen Berkeley, in dem Gäste im Grunde genommen gar nichts bezahlen müssen, sondern nur gebeten werden, genug Geld für die Rechnung des nächsten dazulassen. Das entgegengebrachte Vertrauen – das essenziell sei für das eigene Glück – erzeugt im Gegenzug vertrauenswürdiges Verhalten.
Jedes Kapitel enthält außerdem Fragebögen, die den Lesern einen besseren Einblick in ihr Innenleben gewähren sollen: Welchen Bindungstyp haben Sie? Wie groß ist Ihr Kontrollbedürfnis? Wie einsam fühlen Sie sich? Dieses Wissen soll dabei helfen, sich selbst vor Augen zu führen, wie anfällig man für bestimmte Glücksfehltritte ist.
Das Unangenehme beobachten
Den Abschluss jedes Kapitels bilden schließlich praktische Glücksübungen für den Alltag. Sie erfordern allesamt viel Zeit und oft auch den Willen, sich mit negativen Ereignissen im Leben auseinanderzusetzen. Zum Beispiel soll der Leser sich ein schlimmes Erlebnis ins Gedächtnis rufen und möglichst detailgetreu aufschreiben. Dadurch erlebt er die negativen Gefühle erneut. Mit der nötigen Distanz ist es nun aber möglich, zu entdecken, ob sich daraus nicht auch etwas Gutes ergeben hat. Anschließend soll der Leser jeden Tag drei unangenehme Erlebnisse notieren und aufmerksam beobachten, ob sie etwas Positives nach sich ziehen.
Raghunathan betrachtet das Glück oft aus ökonomischer Perspektive: Macht es nicht faul? Ist ein gütiger Chef weniger erfolgreich? Führt emotionale Gelassenheit dazu, dass andere auf einem herumtrampeln? Diese Perspektive macht sein Buch zu etwas Besonderem im aktuellen Dschungel an Glücksratgebern: Selten gelingt es einem Werk über Glück, die Spiritualität fast gänzlich auszulassen und dafür mit realitätsnahen Alltagsbeispielen zu punkten.
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