Das kleine Einmaleins der Maschinen
Künstliche Intelligenz (KI) ist das Megathema unserer Zeit. Obwohl dieser Begriff ständig in den Medien auftaucht, ist vielen immer noch nicht ganz klar, was sich dahinter verbirgt. Der Wissenschaftsjournalist und Zukunftsforscher Ulrich Eberl versucht Licht in diese Blackbox zu bringen. In 33 Fragen und Antworten klärt er die wichtigsten Aspekte des Themas – von der Wirtschaft über technische Details bis hin zu Ethik und Rechtsphilosophie. Funktioniert künstliche Intelligenz wie unser Gehirn? Wird sie einen Großteil der menschlichen Jobs überflüssig machen? Werden die Kriege der Zukunft von Robotern entschieden? Das sind nur einige Fragen, denen sich Eberl in seinem Buch widmet.
»Verfahren der Künstlichen Intelligenz sind bereits heute ein wichtiger Teil unseres Alltags«, erklärt der Autor. »Wenn wir das Smartphone über Fingerabdruck oder Gesichtserkennung entsperren, wenn wir Bilder hochladen und ähnliche im Internet suchen, wenn wir smarte Lautsprecher bitten, unsere Lieblingsmelodien zu spielen, wenn Messenger-Dienste Wörter korrigieren oder Texteingaben vervollständigen, wenn wir uns über angeblich maßgeschneiderte Werbung ärgern – dann ist das alles ›KI in action‹.«
Maschineller Go-Autodidakt
Eberl weiß, wovon er spricht. Der promovierte Biophysiker leitete 20 Jahre lang die Forschungskommunikation bei Siemens, bevor er sich 2015 als Wissenschaftsautor selbstständig machte. In seinem Vorgängerwerk »Smarte Maschinen: Wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändert« hat er sich eingehend mit dem Thema befasst. In der Zwischenzeit ist die Technik jedoch rasant vorangeschritten – man denke an die Google-Software AlphaGo Zero, die sich die Regeln des Brettspiels Go selbst beibrachte und 2017 einen menschlichen Großmeister bezwang. Ein Ereignis, das Beobachter einen Meilenstein nannten. Diese Entwicklung nimmt Eberl zum Anlass, basierend auf eigenen Recherchen nochmal ein aktualisiertes Überblickswerk zu publizieren.
Das Ergebnis ist keines der üblichen Frage-Antwort-Spiele, die meist etwas lustlos und glossarähnlich lexikalische Fragmente ausbreiten, sondern ein sehr reflektiertes Büchlein, das die Prämissen menschlicher Intelligenz auf den Prüfstand stellt. »Ist es ein Zeichen von Intelligenz, Kriege zu führen, Rohstoffe zu verbrennen, die Atmosphäre aufzuheizen, den Regenwald abzuholzen, Tierarten auszurotten und die Ozeane in Müllkippen zu verwandeln?«, fragt Eberl. Dass der Mensch maschinelle Hilfe gut gebrauchen kann, sei offenkundig.
Mit viel technischem, rechtlichem und philosophischem Hintergrundwissen vermisst der Autor die Entwicklungsfelder künstlicher Intelligenz, schätzt ihre Potenziale ein und zeigt ihre Grenzen auf. Das Sciencefiction-Szenario, in dem sich eine KI zur Superintelligenz aufschwingt, zerlegt Eberl ebenso sachlich und humorvoll wie die These, Maschinen könnten irgendwann ein Bewusstsein entwickeln. »Alle kommerziellen KI-Systeme, die heute entwickelt werden, beherrschen nur ihre Einsatzgebiete. Sie sind – grob gesagt – ›Fachidioten‹ mit speziellen Fähigkeiten, ohne Allgemeinintelligenz.« Und das, so Eberl, sei auch so gewollt: »Ein Rasenmäh-Roboter soll das Gras schneiden und nicht mit seinem Besitzer über die Gartengestaltung diskutieren, und eine medizinische KI soll den Ärzten helfen und nicht etwa ihre Berufswahl infrage stellen.« Dem Autor gelingt es, komplizierte Phänomene anhand von anschaulichen Beispielen einfach und plausibel zu erklären.
Dass es bei den meist zwei bis drei Seiten kurzen Antworten zu Unschärfen kommen kann, liegt in der Natur des Formats. So behauptet Eberl, KI werde in einem ersten Schritt Routineaufgaben übernehmen, die überwiegend von der Mittelschicht der Arbeitnehmer ausgeführt würden – was daher weder Gering- noch Hochqualifizierte treffe. Das mag auf »Roboteranwälte« zutreffen, also auf KI-Systeme, die sich durch juristische Fachliteratur wühlen und weitgehend das Metier von Rechtsanwaltsfachangestellten übernehmen. Bei angelernten Call-Center-Mitarbeitern, die auf standardisierte Anfragen mit einem Skript antworten und deren Arbeit schon heute von Telefon-KIs ersetzt wird, wirkt diese These allerdings erratisch.
Dennoch bietet das Buch großen didaktischen Mehrwert. Die Leichtigkeit, mit der Eberl auf eineinhalb Seiten den sperrigen Begriff »Deep Learning« erklärt, sucht ihresgleichen. Der Autor hat ein faktengesättigtes Buch geschrieben, das sowohl Laien als auch Experten einen fundierten Überblick über den Themenkomplex KI gibt.
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