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Die Software des Lebens

John Craig Venter gehört zu den schillerndsten Persönlichkeiten in den Lebenswissenschaften. Der US-Biochemiker entzifferte einst das menschliche Genom in direkter Konkurrenz zum internationalen Humangenomprojekt. Er hat sich ohne Zweifel wissenschaftlich hochverdient gemacht, trieb aber auch die hemmungslose Privatisierung von Allgemeingut voran, indem er für etliche Gensequenzen Patente beantragte. Seit einigen Jahren fällt er immer wieder durch spektakuläre Ankündigungen und Erfolgsmeldungen im Bereich der synthetischen Biologie auf.

Im vorliegenden Buch hangelt sich Venter chronologisch an (lebens-)wissenschaftlichen Meilensteinen der zurückliegenden Jahrhunderte entlang. Er beleuchtet die Arbeiten berühmter Forscher wie Francis Bacon (1561-1626), René Descartes (1596-1650), Erwin Schrödinger (1887-1961) oder Frederik Sanger (1918-2013). All diese Menschen, so Venter, hätten mit ihren Erkenntnissen den Boden für die moderne, "digitale Biologie" geebnet. Was man sich darunter vorzustellen hat, erörtert der Autor, indem er von den "Robotern der Zelle" (den Proteinen) erzählt und dabei auf "Gouvernanten" (Chaperone), "Lastwagen"(Kinesine) und "siebenstachlige Todesmaschinen" (Apoptosomen) eingeht.

Die digitale Biologie ist demnach jene Denkrichtung, in der Proteine und Zellkompartimente als "Hardware" einer Zelle aufgefasst werden, das Erbmolekül DNA hingegen als ihre "Software". Venter sieht sich als Schrittmacher dieser Disziplin. "Die (...) Zelle vollständig zu verstehen und zu verbessern, indem wir neue Zellsoftware schreiben (...)", ist das erklärte Ziel Venters und seiner Kollegen.

Per Schrotschuss zur Erkenntnis

Wie man diesem näherkommen möchte, legt der Autor recht ausführlich dar. Er erklärt die "Ganzgenom-Schrotschusssequenzierung", die er gemeinsam mit seinem Team entwickelte, um Genome schneller als bisher zu sequenzieren – was ihnen am Bakterium Haemophilus influenzae auch gelang. Er berichtet von Erkenntnissen Robert Sinsheimers, US-amerikanischer Biophysiker und Vorreiter auf dem Gebiet der Gensynthese, über das Virus Phi-X-174, die es ihm (Venter) ermöglichten, ein funktionsfähiges Virengenom zu synthetisieren, mit dem sich Bakterienzellen infizieren und töten lassen – eine Methode, die in Zukunft als so genannte Phagentherapie bei bakteriellen Infekten eingesetzt werden soll. Die EU-Kommission finanziert derzeit eine große klinische Studie – "Phagoburn". Brandopfer, die unter Pseudomonas aeruginosa oder E. coli-Infektionen leiden, sollen durch die Phagentherapie von diesen schwer zu behandelnden Infektionen geheilt werden.

Auch geht er auf die Genomtransplantation ein, dem Transfer der DNA einer Spezies in das Genom einer anderen. So entsteht ein neuer Organismus, der geno- und phänotypisch dem des Spenders entspricht.

Venter beschreibt sodann die ethischen und moralischen Probleme, welche die Genomforschung aufwirft. Er schildert, wie er besorgte Pressevertreter und Ethikräte aufzuklären suchte, und wie schwierig es ist, die komplexe Materie der Öffentlichkeit zu vermitteln. Zudem umreißt er, welchen Konkurrenzdruck man als Genomforscher aushalten muss und welche schwierigen politischen Hürden man zu nehmen hat.

Hymne auf die Lebenswissenschaften

Das Vorwort klingt bescheiden: "Es ist nicht mein Ziel, eine umfassende Geschichte der synthetischen Biologie zu schreiben, aber ich möchte einen Eindruck davon vermitteln, welche Leistung jenes außergewöhnliche, auf Zusammenarbeit gegründete Projekt erbringen kann, das wir Naturwissenschaft nennen." Letztlich gelingt Venter aber beides: eine aufschlussreiche Wissenschaftsgeschichte niederzulegen und eine Hymne auf die Lebenswissenschaften zu singen, deren Teilgebiete Biologie, Biochemie und Genetik er den Lesern näher bringt.

"Leben aus dem Labor" ist ein spannendes und aufrüttelndes Werk. Der Text präsentiert sich weitgehend verständlich, erfordert aber naturwissenschaftliche Vorkenntnisse. Wer die synthetische Biologie für eine gute Sache hält, kann dem Werk viele Informationen und Anregungen entnehmen. Wer ihr hingegen kritisch gegenüber steht, wird das Buch wohl als provokant und vielleicht etwas beängstigend empfinden. In jedem Fall ist Venter ein fesselndes, fachlich solides Sachbuch mit autobiografischem Charakter gelungen, das sich ähnlich eingängig liest wie ein Sciencefictionroman.

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