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Winzig und wichtig

Mikrobiologe Gerhard Gottschalk nimmt seine Leser mit in die spannende – und äußerst facettenreiche – Welt der Mikroorganismen.

»Bakterien werden bewundert und gefürchtet, sie sind einfach unheimlich.« So leitet Gerhard Gottschalk seine Geschichtensammlung über Bakterien und Archaeen ein. Er nimmt seine Leser mit in die Welt der Mikroben und erzählt in 22 Kapiteln anhand diverser Spezies und Lebensräume, wo die Mikroorganismen überall leben können und was ihre verschiedenen Arten jeweils auszeichnet. In seine detaillierten Ausführungen, die von Fotos und anschaulichen Abbildungen gesäumt sind, streut der Mikrobiologe und Genomforscher allerhand Anekdoten ein. Man merkt, dass Gottschalk seit mehr als 50 Jahren in Forschung und Lehre tätig ist und über ein enormes Allgemein- und Fachwissen verfügt.

Von sich selbst spricht er in der dritten Person, als »der Autor«, was beim Lesen etwas verwirrt. Zudem benutzt er häufig Fachbegriffe und Passivkonstruktionen, was den Text etwas schwerfälliger macht als nötig. Gottschalk, dem für seine Erkenntnisse über den Stoffwechsel von Mikroorganismen mehrere Ehrendoktortitel sowie ein Bundesverdienstkreuz verliehen wurden, hat früher bereits ein einschlägiges Lehrbuch verfasst. Diesem Werk namens »Welt der Bakterien, Archaeen und Viren« sind auch Teile des neuen Buchs entliehen. Der Autor versteht seinen neuen Band aber weniger als Lehrbuch denn als unterhaltende Publikation.

Anspruchsvoller Stoff

Im Vorwort verspricht Gottschalk einen Text »praktisch ohne Formeln und Gleichungen«. Das ist allein ob der Komplexität der Organismen recht schwierig. An einigen Stellen schafft es der Mikrobiologe leider nicht, den Lehrbuchstil abzulegen. So tauchen im achten Kapitel über Stickstoff und Schwefel verstoffwechselnde Bakterien beispielsweise recht komplizierte Schemata auf. Fachbegriffe und Abkürzungen wie EHEC oder 16S-RNA erklärt der Autor zwar, manchmal aber nicht unmittelbar bei ihrer ersten Erwähnung oder nur sehr knapp. Eine grafische Darstellung oder ein Infokasten wären hier hilfreich gewesen. Zwar bauen die Kapitel nicht direkt aufeinander auf, Gottschalk nimmt aber häufig Bezug auf bereits Erklärtes. In jedem Fall ist zum Verständnis ein gewisses mikrobiologisches und chemisches Grundwissen erforderlich.

An einigen Stellen geht der Autor sehr tief ins Detail und verwendet Fachbegriffe, die mehr zur Verwirrung als zum tieferen Verständnis beitragen. Häufig verspricht Gottschalk, nun ein bestimmtes Phänomen zu erklären – und driftet dann doch in eine andere Richtung ab. Hier wird ihm sein enormes Fachwissen offenbar zum Verhängnis. Manche Kapitel sind geradezu überladen von Informationen und schneiden mehrere, völlig unterschiedliche Themen an. So geht es in Kapitel 21 zunächst um Bakterien, die Azeton herstellen. Fast im selben Atemzug kommt die Genschere CRISPR-Cas ins Spiel, gefolgt vom Geschmacksverstärker Glutamat. Anschließend geht es um Bakterien, die einen Stoff bilden, aus dem sich biologisch abbaubare Kunststoffe herstellen lassen.

Eine feinere Unterteilung der Kapitel – oder zumindest Zwischenüberschriften – täte dem Buch sicherlich gut. Erfreulich ist das ausführliche Literaturverzeichnis, das es interessierten Lesern ermöglicht, sich in gewisse Aspekte genauer einzulesen. Auf manchen Punkt könnte man jedoch getrost verzichten; so erwartet sicherlich niemand, von dem Werk über aktuelle gentechnische Methoden aufgeklärt zu werden. Zumal die Anwendungen von CRISPR-Cas bereits jetzt über das hinausgehen, was der Autor im entsprechenden Kapitel anführt.

Der Spagat zwischen informativ und unterhaltsam gelingt Gottschalk zwar nicht immer. Mit seinen Anekdoten und Ausführungen trägt er aber zur Erweiterung des Allgemeinwissens bei. Am Rand erklärt er beispielsweise, wie Escherichia coli zu seinem Namen kam, warum das Geschäft von Säuglingen anders duftet und was die Gründung des Staates Israel mit dem Lösungsmittel Azeton zu tun hat. Zudem liefert er präzise Antworten auf Fragen wie »Wie stark müsste die Dichte des Wassers im Toten Meer abnehmen, damit Mikroorganismen darin leben können?« oder »Wie viele Bakterien müsste ich schlucken, um krank zu werden?«.

Wer sich auf den etwas anstrengenden Stil einlässt, erhält vom Buch spannende Informationen und erweitert sein Verständnis für Mikroben – und für die Welt, in der wir zusammen mit ihnen leben. Denn Bakterien und Archaeen sind viel mehr als Krankheitserreger oder Nischenbewohner. »Sie bewegen die großen Kreisläufe in der Natur«, schreibt Gottschalk beispielsweise im Hinblick auf ihre Rolle als Klimamacher.

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