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»Lebendige Nacht«: Die Nacht ist nicht nur zum Schlafen da

Waschbären, Fledermäuse, Nachtfalter … Sophia Kimmig berichtet über das Leben nachtaktiver Tiere und die Bedeutung von Licht.
Porträtfoto einer überrascht guckenden Schneeeule.

Nachts in der großen Stadt sieht alles ganz anders aus als am Tag. Nicht nur, weil wir im Dunklen und Halbschatten schlechter sehen, sondern auch, weil sich dort nun nicht nur in der freien Natur, sondern auch in der Stadt andere Tiere tummeln als während des Tages: Waschbären, Wildschweine und andere, die wir sonst kaum zu Gesicht bekommen. Die Wildbiologin Sophia Kimmig erzählt in ihrem Buch, wie nachtaktive Tiere leben, und macht dabei deutlich, dass ihre Lebensräume nicht nur nach Regionen wie Stadt, Wald oder Wiese aufgeteilt sind, sondern auch nach den Tageszeiten.

Anschaulich schildert die Autorin das Leben der Tiere, darunter viel Vertrautes. Dabei wird auch von vielen persönlichen Begegnungen mit Tieren erzählt, was stellenweise etwas ermüdend wirkt. Das Buch besitzt leider keine klare Gliederung: Die einzelnen Kapitel über Bilche (Siebenschläfer, Gartenschläfer oder Haselmäuse), Eulen, Fledermäuse, Waschbären oder Nachtfalter werden immer wieder unterbrochen von Kapiteln mit grundsätzlichen Überlegungen über die Bedeutung von Licht für Lebewesen, die Evolution, die manche Tiere zu nachtaktiven gemacht hat, oder die Lichtverschmutzung in unseren Städten. Diese verhindert, dass wir Sternbilder sehen und uns daran orientieren können, auch weil das Wissen darüber verloren geht. Beunruhigend ist, dass viele Säugetierarten in ihrem Bestand gefährdet scheinen, allerdings gibt es gerade bei den nachtaktiven Säugetieren keine ausreichende Datengrundlage, um dies zuverlässig einschätzen zu können.

Dieses Hin- und Herspringen zwischen der Beschreibung von Tierarten und der Welt des Menschen macht den Text nicht sonderlich gut lesbar. Die Probleme, die sich durch die Beleuchtung der Städte für Mensch und Tier ergeben, müssen natürlich benannt werden; sie könnten jedoch anschaulicher und übersichtlicher in einem einzigen zusammenfassenden Kapitel abgehandelt werden. Manche Themen sind sehr knapp dargestellt: Ob das Entstehen von Angst aus dem Zusammenspiel von Thalamus, Amygdala, Hippocampus und Hormonen in nur wenigen Zeilen verständlich erklärt werden kann, darf man bezweifeln.

Dennoch erfahren wir viele Details über nachtaktive Lebewesen. So sind sehr viele Tiere dämmerungs- oder nachtaktiv, neben den genannten einheimischen Tieren auch Nilpferde, Tiger und Löwen. Die Bedeutung des Lichts erläutert die Autorin anhand von Meeresschildkröten und anderen Tieren, für die das schwache Mondlicht eine wichtige Orientierungshilfe darstellt. Glühwürmchen verwenden ausgesandtes Licht zur Kommunikation. Dies alles ist interessant, wird jedoch durch das Einstreuen weniger bedeutsamer Details gestört: Eine ausführliche Schilderung der Arbeit in einer Naturschutzstation, in der Fledermäuse beringt werden, ist für die Autorin sicher ein Erlebnis, für die Leser in dieser Ausführlichkeit wohl weniger. Informationen über die Bedeutung von »Bürgerwissenschaften« für wissenschaftliche Erkenntnisse, die ökologische Nische des Kuckucks und Pheromone nimmt man gerne zur Kenntnis, allerdings ohne einen engeren Bezug zu dem Thema des Buchs zu sehen.

Sieht man über diese Schwächen hinweg, so ist es ein leicht zu lesendes Buch, dessen erzählerischer Stil wohl den meisten Lesern zusagt. Und es verdeutlicht manchen Tierfreunden, dass auch die Nacht viel Interessantes zu bieten hat.

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