Der sechste Sinn
Kann man erkennen, was andere denken? Gibt es also so etwas wie einen sechsten Sinn, und ist er erlernbar? Der Titel des vorliegenden Buchs erweckt diesen Eindruck. Zu viel sollte man von dem Werk jedoch nicht erwarten, denn andere vollständig zu durchschauen, ist schlicht unmöglich. Nicholas Epley, Sozialpsychologe und Verhaltensforscher, verheimlicht das auch nicht.
Doch gibt es so einiges, das man tun kann, um andere ein wenig besser zu verstehen. Zum Beispiel, dieses Buch zu lesen. Epley beschreibt detailliert, welche Fehler uns beim Gebrauch des sechsten Sinns häufig unterlaufen und wie wir diese vermeiden können. Zudem verrät er, welche Methode Studien zufolge die beste ist, um die Gedanken anderer zu ergründen. Der nächstliegende Ansatz, nämlich zu versuchen, sich in den anderen hineinzuversetzen, sei eher kontraproduktiv. Die bewährteste Methode sei denkbar einfach: Fragen und zuhören.
Schenken, was man selbst gern hätte
Epley wartet mit vielen weiteren Thesen auf. So schreibt er, Frauen seien nicht emotionaler als Männer, sondern zeigten ihre Emotionen lediglich häufiger. Das belegt er anhand zahlreicher Studien, häufig eigener, sowie echter Begebenheiten, über die zum Teil die Medien berichteten. Hin und wieder streut er persönliche Erlebnisse ein. So gelingt ihm ein anschaulicher, überzeugender Abriss darüber, wie wir mit unserem sechsten Sinn umgehen sollten.
Der Autor, der vor einigen Jahren zum beliebtesten Professor an der Havard University (USA) gewählt wurde, hilft indes nicht nur dabei, andere besser zu durchschauen. Er gibt seinen Lesern hin und wieder auch das Gefühl, durchschaut worden zu sein. So berichtet er, etliche Studien hätten gezeigt, dass man beim Kauf eines Geschenks vor allem nach den eigenen Vorlieben geht – obwohl das Präsent ja eigentlich dem Beschenkten gefallen soll. Man erfährt aber auch Tröstliches, etwa die empirisch belegte Erkenntnis, dass andere sich weniger intensiv mit unseren Fehlern und Peinlichkeiten beschäftigen, als wir das meist annehmen.
Am Ende der Lektüre stellt sich das Gefühl ein, in seinen Mitmenschen nun zumindest ein bisschen lesen zu können als vorher – und zugleich besser einschätzen zu können, inwieweit das überhaupt möglich ist.
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