Raubbau macht Geschichte
Die Vorstellungen eines menschengemachten Klimawandels, von leer gefischten Meeren oder von durch Giftmüll großflächig verseuchten Landschaften waren dem Jäger und Sammler der Urzeit sicher völlig fremd. Wie soll so etwas möglich sein? Viel zu schwach und ausgeliefert wäre dieser sich wohl angesichts einer Natur vorkommen, deren Gefahren sein Überleben permanent bedrohten, gegen die er sich mehr schlecht als recht behaupten konnte. Doch letztlich nutzte er seine Kreativität, entwickelte Waffen zur Jagd und Verteidigung und passte sich den Umweltbedingungen an.
Von Jägern und Sammlern bis zum Klimawandel
Der US-amerikanische Historiker Daniel Headrick hinterfragt das menschliche Handeln gegenüber der Umwelt sowie die daraus resultierenden Rückwirkungen auf den Menschen in 15 chronologisch geordneten Kapiteln. Sie zeigen die Entwicklung vom urgeschichtlichen Jäger und Sammler über die eurasischen und afrikanischen Kulturen der Antike, das Mittelalter, die neuzeitliche Eroberung Amerikas, die industrielle Revolution, die Zeit des Imperialismus, über die verheerenden Weltkriege und die Konsumgesellschaft des 20. Jahrhunderts bis hin zum Klimawandel und der Ausbeutung der Ozeane unserer Zeit.
Einleitend skizziert der Autor zunächst, wie heftig der historische Beginn des Anthropozäns seit den 2000er Jahren diskutiert wird. Mit seiner umfassenden und nicht ausschließlich auf Europa zentrierten Darstellung stellt er sich dann auf die Seite derjenigen, die das Anthropozän bereits in der Frühgeschichte beginnen lassen.
Antrieb für das menschliche Handeln sei das Konkurrenzverhältnis zwischen Mensch und Natur gewesen. Letztlich gelang es dem Menschen, durch immer bessere technologische Hilfsmittel und die Domestikation von Tieren und Pflanzen zu überleben. Headrick argumentiert, der menschliche Einfluss auf die Natur sei somit nicht nur negativ zu sehen. Doch der Erfolg prägte auch die gesellschaftliche Entwicklung, Lebensstile und Verwaltungsstrukturen. Das alles ermöglichte es dem Autor zufolge schon früh, der Natur größere Ressourcen zu entnehmen, als eigentlich zum Überleben notwendig waren.
Antike Mittelmeerkulturen gewannen durch die Abholzung von Wäldern Lebensraum und durch das Holz wertvollen Rohstoff, doch sie trugen damit auch zur Entwaldung großer Gebiete bei. Und während sich die Entdeckung Amerikas Ende des 15. Jahrhunderts durch Ausbeutung und Unterwerfung, Einschleppung neuer Krankheiten sowie die Waldrodung für den großflächigen Anbau von Nutzpflanzen für einen europäischen Markt zu einer Katastrophe für die indigenen Völker entwickelte, profitierte die europäische Bevölkerung von diesem Raubbau.
Die Industrialisierung des 18. und 19. Jahrhunderts führte zur Massenproduktion für die Bedürfnisse eines immer größer werdenden, letztlich globalen Marktes. Ihre Schäden durch den exorbitanten Verbrauch fossiler Energieträger und durch die Abholzung von Wäldern zur Ausweitung des Ackerlands sind enorm. Sie setzen sich bis zum menschengemachten Klimawandel des 20. und 21. Jahrhunderts fort.
Zum Ende seiner historischen Darstellung wagt Headrick einen Blick in die Zukunft. Dazu positioniert er das menschliche Handeln sowie seine Konsequenzen innerhalb eines Dreiecks, dessen Eckpunkte aus einem »Weiter wie bisher«, einer idealen »nachhaltigen Welt« sowie einem »Erdmanagement« der Biosphäre und des Klimas bestehen.
Dass er es geradezu als grundlegenden Charakterzug des Menschen interpretiert, ständig über seine Bedürfnisse hinauszugehen, was durch übermäßige Ressourcenausbeutung der Natur (oft ungewollt) Schaden zufügt, muss man natürlich hinterfragen. Denn der Kontext einer Diskussion über das Wesen des Menschen ist aus biologischer, historischer, philosophischer und theologischer Sicht sehr vielfältig. Doch Headricks überspitzte Formulierung kann als Weckruf verstanden werden. Allerdings stimmt er für eine Lösung unserer aktuellen Umweltprobleme wenig optimistisch. Das läge einerseits an der Verdrängung von Problemen sowie der Erwartungshaltung, sofortigen Nutzen aus dem Handeln zu erfahren. Doch es geht nach wie vor und ganz akut um das Überleben auf diesem Planeten.
Der mehr als 500 Seiten starke Textteil des Buchs wird durch ein umfangreiches Namens- und Sachregister erschlossen. Dagegen wurde das Inhaltsverzeichnis leider sehr knapp gehalten. Obwohl alle Kapitel mehrfach untergliedert sind, finden sich die Unterkapitel darin nicht aufgeführt. Das wäre für eine bessere Zugänglichkeit wünschenswert gewesen. Verglichen mit anderen Umweltgeschichten fällt zudem die geringe Zahl von Abbildungen auf, durch die das Buch anschaulicher wäre.
Das ändert jedoch nichts an der fundiert recherchierten Informationsfülle des Werks. Es richtet sich an technik-, kultur- und umwelthistorisch interessierte Leserinnen und Leser, die den Wurzeln, Querbeziehungen und Auswirkungen menschlicher Umweltzerstörung auf den Grund gehen möchten.
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