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»Machtwechsel«: Mit weißen Sneakers auf die politische Bühne

Seit den Bundestagswahlen im Jahr 2021 regieren nun deutlich jüngere Menschen das Land - und sie agieren deutlich anders.
Weiße Sneaker

Merkel und Co. sind zwar nicht vergessen, aber öffentlich doch nicht mehr so präsent. Mit Annalena Baerbock, Robert Habeck, Christian Lindner, Marco Buschmann, Lars Klingbeil unter der Ägide von Olaf Scholz regieren wahrnehmbar jüngere Köpfe das Land. Zeigt sich hier ein Generationswechsel?

Den Machtwechsel porträtiert die politische Journalistin Anna Sauerbrey in ihrem ersten Buch. Es zeichnet ein Gruppenporträt der politischen Generation X und »beruht auf Interviews mit zahlreichen Spitzenpolitikern und Menschen in ihrem Umfeld«. Die Autorin (Jahrgang 1979) beobachtete bis Anfang dieses Jahres den politischen Alltag in Berlin für den »Tagesspiegel«, bevor sie zur »Zeit« gewechselt ist.

Die Generation als soziologische Kategorie

Die »68er«, »Baby Boomer« oder »Generation Golf« sind Begriffe, die sich längst im Sprachgebrauch eingebürgert haben. Zuletzt gesellte sich »Generation X« hinzu, aber auch schon »Generation Z« sowie die »Millennials« erscheinen im Blätterwald. Den Begriff »Generation« hat der Wissenssoziologe Karl Mannheim (1893–1947) in seinem Aufsatz »Das Problem der Generationen« (1928) aus der Biologie in die Soziologie übernommen, wo er noch heute diskutiert und modifiziert wird. Für Mannheim war »Generation« eine Kategorie, um Geschichte und ihre Abfolge zu ordnen und zu charakterisieren: Dazu gehören ein gemeinsamer kultureller Kontext, eine chronologische Gleichzeitigkeit sowie die Wahrnehmung des Geschehens aus der gleichen Lebens- und Bewusstseinsschichtung. Das soziologische Konzept verwendet Sauerbrey, um die gegenwärtige Führungselite zu charakterisieren: die »Generation X« der heute 40- bis 55-Jährigen.

Das Buch besteht aus zwei Teilen: Im ersten geht es um den Generationswechsel und darum, was die Neuen in Berlin prägt, im zweiten Abschnitt versucht die Autorin sich an einer »Alltagssoziologie der neuen politischen Klasse« anhand der ungeschriebenen Gesetze der Berliner Republik. Trotz unterschiedlicher Temperamente und politischer Ideen der einzelnen Politikerinnen und Politiker, die nach der Bundestagswahl 2021 das Ruder in Berlin übernommen haben, zeigten sich Gemeinsamkeiten besonders im Verständnis von Politik: Diese Generation ringt zwar noch um ihren Demokratiebegriff, aber für sie ist Politik eher ein Managementproblem denn ein Ort für ideologische Grabenkämpfe. Das vereinfache Kooperationen und Freundschaften über parteipolitische Grenzen hinweg.

So sei es für die »Generation X« selbstverständlich, »Whiteboards, Key-Performance-Indicators und Moderatorenkoffer« zur Formulierung politischer Ziele zu nutzen und Evaluationsparameter für deren Erreichung festzulegen und zu kontrollieren. Offenheit, Transparenz, klarere Kommunikation seien dabei ebenso wichtig wie die Vereinbarkeit von Politik und Familie. Selbstverständlich sei daher, dass Männer die Kinderbetreuung übernehmen, wenn ihre Frauen Karriere machen, oder dass der Nachwuchs während einer Sitzung im Nebenraum betreut wird. Die früher in der Politik üblichen Nachtsitzungen sind nicht mehr erwünscht.

Dass die Koalitionsgespräche 2021 so effektiv und weitgehend ideologiefrei verlaufen sind, sieht Sauerbrey als Folge des Scheiterns der so genannten Jamaika-Koalitionsverhandlungen 2017, als die ideologischen Unterschiede noch zu groß gewesen seien. Kurz nach diesem Scheitern hätten sich Politikerinnen und Politiker der Generation X parteiübergreifend in kleinen Kreisen vernetzt und über Herausforderungen der Zukunft gesprochen. So sei schon vieles pragmatisch und einvernehmlich besprochen gewesen, als die Wahl 2021 gelaufen war.

Das Buch liest sich leicht und lädt zuweilen zum Schmunzeln ein, etwa wenn Sauerbrey beschreibt, wie »weiße Sneakers parteiübergreifend« zum Kennzeichen der Generation X avancierten. Von solchen kleinen, fast nebenläufigen Beobachtungen lebt das Buch. Die Autorin bringt viel Sympathie für ihre Generation X auf. Wer die Analyse liest, hätte dieser Politikgeneration womöglich neues Vertrauen entgegenbringen können – wenn nicht schon kurz nach dem Machtwechsel ein Krieg ausgebrochen wäre: »Jüngere Politiker sind nach dem Kalten Krieg aufgewachsen. Jetzt machen sie Politik in Kriegszeiten. Wie ist das?«, twitterte Anna Sauerbrey skeptisch Anfang Juni.

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