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Von König Oscar II. bis zur Planetenachterbahn

Der schlüpfrige Buchtitel führt in die Irre. Die Körper, die im Buchinneren die merkwürdigsten Dinge miteinander treiben, sind gänzlich unerotische Massenpunkte, ihr Verhalten ist schlüpfriger als jede Schlüpfrigkeit, nämlich reibungsfrei, und das zweitälteste Gewerbe der Welt? Ist das Sternegucken, mitsamt der nachfolgenden Berechnung der Bahnen von Sonne und Mond und deren Verfinsterungen. So zumindest zitiert die Autorin den fachkundigen US-Mathematiker Donald Gene Saari.

Bei all den Witzchen und Anspielungen könnte man fast übersehen, dass es um eine sehr abstrakte und vor allem sehr interessante Sache geht. Gegeben allerlei punktförmige Körper im Raum – man darf sich etwa die Sonne mit Planeten, Monden und sonstigem Zubehör darunter vorstellen. Kann man aus deren gegenwärtigen Orten und Geschwindigkeiten ihre Bewegungen für alle Zukunft berechnen?

Ruppige Sprachbilder

Pia Michaela Heidenreich, Wissenschaftsjournalistin in Gütersloh, die unter ihren zahlreichen Studienfächern auch Physik vorzuweisen hat, erzählt uns die Geschichte in der Reihenfolge, die in einer Vorlesung üblich ist. Newtons Gravitationsgesetz plus das allgegenwärtige "Kraft gleich Masse mal Beschleunigung" ergibt ein System gewöhnlicher Differenzialgleichungen; es folgt ein kleiner Exkurs in die Infinitesimalrechnung. Erhaltungssätze für Energie, Impuls und Drehimpuls vereinfachen die Sache so weit, dass man das Problem für den Fall zweier Körper in aller wünschenswerten Vollständigkeit lösen kann. Es ergeben sich die von Johannes Kepler gefundenen Ellipsenbahnen oder auch, "für etwas weniger lahmarschige Kandidaten" (Körper, die zu schnell sind, um gravitativ aneinander gebunden zu bleiben), Parabeln oder Hyperbeln, die ins Unendliche entschwinden.

So eine schöne geschlossene Formel gibt es für drei oder mehr Körper nicht; also gilt es, nach einer zweitbesten Lösung zu suchen. "Potenzreihen" waren das, was Mathematiker Ende des 19. Jahrhunderts für den aussichtsreichsten Ansatz hielten. Man schreibe die noch unbekannte Lösung als unendliche Summe von Funktionen hin mit der Eigenschaft, dass die Summanden einer nach dem anderen berechenbar sind und vor allem hinreichend schnell gegen Null streben, so dass man mit einer endlichen Anzahl von Berechnungen der Lösung bis auf einen beliebig klein wählbaren Fehler nahe kommt.

Im Jahr 1885 wurde im Namen Königs Oscar II. von Schweden und Norwegen ein Preis ausgeschrieben für den, der eine Lösung des allgemeinen Mehrkörperproblems anzugeben wüsste, etwa in Form einer Potenzreihe. Am Ende bekam der französische Mathematiker Henri Poincaré (1854-1912) den Preis – nicht für eine Lösung, sondern für den zweifellos genialen, aber fehlgeschlagenen Versuch einer solchen. Immerhin hatte Poincaré damit quasi nebenher ein Fachgebiet eröffnet, das unter dem Namen "Chaostheorie" berühmt wurde.

Der Schmetterlingsflug, der den Orkan auslöst

So wie sich die Aufgabensteller das Problem vorgestellt hatten, war es damit als unlösbar erwiesen, denn es leidet unter der chaostypischen empfindlichen Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen: Ein winziger Unterschied in den Orten und Geschwindigkeiten zur Zeit t=0 kann das Systemverhalten drastisch verändern. So wie sie es formuliert hatten, ist es inzwischen gelöst worden; nur interessiert sich mangels praktischer Relevanz kaum jemand dafür. Neben der 1991 erschienenen Arbeit des Chinesen Wang Qiu-Dong (Spektrum der Wissenschaft 1/1997, S. 24) zitiert Heidenreich Vorarbeiten des Finnen Karl F. Sundman (1873-1949).

Anstelle der – vermutlich aussichtslosen – Suche nach einer allgemeingültigen, aussagekräftigen Potenzreihe stürzen sich die Forscher auf spezielle Lösungen. Und werden fündig: Drei Körper können einander auf einer gemeinsamen achtförmigen Bahn in alle Ewigkeit hinterherlaufen (Spektrum der Wissenschaft 11/2000, S. 15). Noch kompliziertere Bewegungsformen tragen den treffenden Namen "Hip-Hop".

Das Buch ist ohne Zweifel äußerst gehaltvoll; die Darreichungsform dagegen weckt gemischte Gefühle. Heidenreich arbeitet wesentliche mathematische Konzepte ein Stück weit aus. Aber um die Illusion aufrechtzuerhalten, das alles könne man sich ohne ernsthafte Denkarbeit einverleiben, würzt sie ihre Darstellung mit jeder Menge Witzchen. Die sind für sich genommen zwar ganz nett, tragen aber wenig bis nichts zum Verständnis bei und haben in ihrer Masse dann doch meinen Überdruss erregt.

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