Buchkritik zu »Meinen Kopf auf Deinen Hals«
Die Zeit drängt. Der renommierte amerikanische Gehirnchirurg Robert White ist mittlerweile 76 Jahre alt, und er möchte unbedingt der Erste sein, der einen menschlichen Kopf auf einen fremden Körper verpflanzt. Christian Jungblut, ein Hamburger Journalist, hat sich zwei Jahre lang immer wieder mit White getroffen, um diesen doch sehr speziellen Lebenstraum kontrovers zu diskutieren. Die gesammelten Gespräche hat er in einem vielschichtigen, faszinierenden Buch zusammengefasst. Zunächst ist man geneigt, White nur für einen vom wissenschaftlichen Ehrgeiz getriebenen Dr. Frankenstein zu halten, der seiner Karriere ein letztes Glanzlicht aufsetzen möchte. Aber so einfach ist die Sache nicht, da Jungblut White auch als selbstlosen Menschen beschreibt, der hilft, wo es ihm nur möglich ist. Aber wird einem Menschen tatsächlich geholfen, der wie der Supermann-Darsteller Christopher Reeves vom Hals abwärts gelähmt ist, wenn man seinen Kopf vom Körper trennt, um ihn auf einen "Spenderkörper" zu transplantieren? Das ist die zentrale Frage des Buches. Ihre Beantwortung hängt maßgeblich davon ab, welcher Philosophie der menschlichen Identität man anhängt. Für Robert White, einen streng gläubigen Katholiken, steht fest, dass die Seele beim lebenden Menschen einzig und allein in dessen Gehirn beheimatet ist. Der Körper ist in seinen Augen nur eine austauschbare Versorgungseinheit – ein "power-pack". Der Mensch ändert sich in seinem Wesen nicht, wenn das zu rettende Gehirn von einem fremden Körper versorgt wird. Folglich wird ihm geholfen, wenn man sein Gehirn auf einen besser funktionierenden Spenderkörper transplantiert. Jungblut dagegen vertritt die Auffassung, dass die menschliche Identität untrennbar mit dem eigenen Körper verbunden sei. Er möchte seinen Kopf deshalb nicht auf einem fremden Körper sehen. Wer hat Recht? Das Buch gibt keine Antwort – kann es auch nicht geben.
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