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Autobiografie eines Physikers

Joseph Polchinski gehört zu den bekanntesten Physikern unserer Zeit. Der Professor in Berkeley ist Autor des mehrbändigen Standardlehrbuchs "String Theory" zum gleichnamigen Fachgebiet. 2015 erkrankte er an einem Hirntumor, war nach monatelanger Behandlung nicht mehr in der Lage weiterzuforschen und hat nun seine Lebensgeschichte niedergeschrieben. Das auf Englisch verfasste Werk konzentriert sich, wenig überraschend, auf seine Karriere als Physiker. Als Hauptzielgruppe gibt der Autor Physikstudent(inn)en an.

Im Rückblick beschreibt sich Polchinski als ungewöhnliches Kind: belesen und neugierig, aber sehr schüchtern. Auf Grund seiner herausragenden mathematischen Leistungen an der Highschool erlaubten ihm die Lehrer, die Mathebücher im Alleingang zu studieren. Infolgedessen erschloss er sich den Stoff, den andere Schüler in vier Jahren bewältigten, in einem einzigen – traute sich aber nicht, die Lehrer um weitere Förderung zu bitten, so dass er die verbleibenden Schuljahre ohne Mathematikunterricht verbrachte. Freunde hatte er kaum und legte das typische Verhalten eines Eigenbrötlers an den Tag, was sein späteres Forscherleben noch stark beeinflussen sollte.

Anspruchsvolle Doktorarbeit

Während seiner Collegezeit am Caltech, die er sehr genoss, blühte Polchinski auf. Er erzählt beispielsweise, wie er zusammen mit anderen Studenten immer wieder heimlich auf das Dach der Universität schlich. Als sie die Tür einmal verschlossen vorfanden, hängten sie sie gemeinsam aus, setzten ihre Unterschriften darauf und trugen sie in die Bibliothek, wo sie am nächsten Morgen von allen Studenten begutachtet werden konnte. Die Tür wurde später wieder eingehängt, aber nie ausgetauscht, so dass sie noch heute die Autogramme der später zum Teil sehr erfolgreichen Physiker trägt.

Polchinskis Stil fällt durch Bescheidenheit und Ehrlichkeit auf. Der Autor macht keinen Hehl daraus, dass er sich mit einigen Kursen an der Universität schwertat. Immer wieder scheinen seine Selbstzweifel durch, etwa wenn er seine Doktorarbeit kommentiert, die er beim Teilchenphysiker Stanley Mandelstam absolvierte: "Ich dachte, mein Projekt sei erfolglos gewesen." Er hatte sich an einer relativistischen Quantentheorie versucht, in der sowohl elektrische als auch magnetische Ladungen existieren – ohne einen Durchbruch zu erzielen. Später stellte sich allerdings heraus, dass er der Lösung der anspruchsvollen Aufgabe sehr nahe gekommen war.

Weiterhin schildert der Autor seine wissenschaftlichen Stationen an verschiedenen US-Universitäten. Dies tut er zum Teil sehr technisch-detailliert. Er blickt auf die allgemeinen Entwicklungen in der Physik zurück und auf seine eigene Forschung. Wiederholt klingt an, wie sein zurückhaltendes Wesen ihn dabei behinderte, mit Kollegen zusammenzuarbeiten und seine Ergebnisse zu präsentieren. Dadurch machte er nur sehr langsam Fortschritte.

Ausgeprägte Selbstzweifel

Selbstkritisch analysiert Polchinski auch seine Arbeit mit Studenten. Er befürchtet, sie mit zu schweren Aufgaben überfordert zu haben. So habe er einmal bei einem gemeinsamen Forschungsprojekt das Problem allein gelöst, ohne dem beteiligten Studenten die Chance zu geben, daran mitzuwirken. Solche Schilderungen durchziehen das ganze Buch.

Als frischgebackener Professor war der Physiker überzeugt, nie ein großartiger Forscher werden zu können. Diese Selbstzweifel rührten daher, dass er sich schillernden Wissenschaftlern wie Edward Witten für nicht ebenbürtig hielt. Dennoch revolutionierte er mit 41 Jahren die Stringtheorie, indem er zeigte, dass sich nicht nur eindimensionale Strings beschreiben lassen, sondern auch höherdimensionale Verallgemeinerungen derselben namens D-Branen.

Am Ende beschreibt Polchinski eine Lebenskrise, in der er unter extremen Angstzuständen litt und Antidepressiva benötigte. Seine Autobiografie endet abrupt mit der Tumordiagnose.

Das Buch schildert eine Forscherkarriere mit Höhen und Tiefen. So mancher Leser wird sich in den Selbstzweifeln des Autors wiederfinden. Das Werk ist fachlich mitunter anspruchsvoll, aber immer wieder durch persönliche Erzählungen und Anekdoten aufgelockert, in denen auch renommierte Physiker wie Richard Feynman oder Frank Wilczek auftreten.

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