Ernstes Thema, leichter Ton
In seinem neuen Buch »Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben« widmet sich der Mediziner und Kabarettist Eckart von Hirschhausen den großen Themen der Gegenwart: Ernährung von morgen, Verschmutzung der Meere, Zukunftsangst und Nachhaltigkeit – wobei alles vom drohenden Klimawandel durchsetzt ist. »Garantiert 10 Prozent weniger lustig als früher« ist auf dem Buchdeckel zu lesen. Das trifft es ganz gut. Die Themen, die Hirschhausen anspricht, sind ernst und werden von ihm auch angemessen behandelt. Wo es möglich ist, werden sie aber auch auf ihre leichtere Seite hin abgeklopft. Und ein Sticker, der mit der garantierten Unlustigkeit des Produkts wirbt, ist genau das Gegenteil: witzig.
So eindringlich wie nötig und so leicht wie möglich
Bei den vielen Büchern, die es zu dem Thema bereits gibt, findet »Mensch, Erde!« seinen eigenen Ton: Die Sprache ist so eindringlich wie nötig und so leicht wie möglich. Und trotz der vielen beschriebenen Probleme malt das Buch nicht die Apokalypse an die Wand, sondern zeigt Handlungsmöglichkeiten und Lösungswege auf. Man muss nur wollen.
In der Einleitung beschreibt Hirschhausen eindrücklich, wie er endgültig auf den Trichter kam, dass mit der Erde etwas furchtbar schiefläuft und die Zeit zum Handeln gekommen ist: In Österreich, wo er regelmäßig Urlaub macht, fallen ihm die vielen vertrockneten Wälder auf. Ein befreundeter Bergführer erzählt ihm, dass viele Bergsteige nicht mehr sicher sind, weil sie mit den steigenden Temperaturen brüchig und porös werden. Bei einem Freund, der im Süden Frankreichs in einer Dachgeschosswohnung lebt, war es im Sommer schon immer warm gewesen, aber jetzt ist es so unerträglich heiß, dass der Autor keinen Schlaf findet. Beim Schwimmen in der Adria versucht er, seine beschlagene Schwimmbrille sauber zu kriegen. Geht nicht, denn die Brille ist gar nicht beschlagen, das Meer ist voller Mikroplastik. Angeekelt geht er wieder an Land.
Das alles passiert zu einer Zeit, in der Greta Thunberg noch allein vor dem schwedischen Parlament demonstriert. Ein paar Wochen später hat die Klimabewegung gewaltig an Fahrt aufgenommen. Hirschhausen wird gefragt, ob er ein paar Worte auf einer Fridays-for-Future-Demo in Berlin sagen möchte. Das tut er auch. Die Bewegung wird für ihn zu einer Art Kipppunkt: Er tritt den »Scientists for Future« bei, für die er bis heute aktiv ist. Sein neues Buch ist auch das Ergebnis dieser persönlichen Erfahrung.
Als bekannter Kabarettist kommt Hirschhausen viel herum. Er trifft Persönlichkeiten wie die Schimpansenforscherin Jane Goodall, Peter Wohlleben, die Köchin und EU-Parlamentarierin Sarah Wiener, den Evolutionsbiologen Jared Diamond, den Umweltwissenschaftler Ernst Ullrich von Weizsäcker, eine Arktisforscherin, eine Klima-Anwältin und viele mehr. Zwischen Interviews, Reportagen und den grandiosen Grafiken des Katapult-Magazins sind immer wieder Erklärstücke eingebaut – über die menschengemachte Klimaerwärmung, die Kipppunkte der Erde, Plastikmüll oder ein gesundes Leben.
Das Buch ist gut 500 Seiten dick. Auch wenn viele der Informationen nicht völlig neu sind, ist »Mensch, Erde!« doch eine ergiebige Fundgrube: Man lernt etwa das Wort Solastalgie kennen, das ein Gefühl des Verlustes bezeichnet, wenn jemand Zeuge der Zerstörung des eigenen Lebensraums wird. Der Naturschützer Michael Succow erlebt etwas Ähnliches, wenn er den Vogelreichtum seiner Jugend mit der Artenarmut von heute vergleicht.
Zudem liefert Hirschhausen eindrückliche Bilder davon, wie man bei vielen Produkten die anfallenden Umweltkosten einfach ausblendet: »Stellt euch vor«, schreibt er, »es gibt ab sofort für jedes Kilo Fleisch verpflichtend an der Kasse 20 Liter Gülle mit dazu. Und die Verkäuferin sagt an der Kasse: Die haben Sie mit verursacht. Die nehmen Sie jetzt mit.« Klingt irgendwie absurd. Aber genau so müsste es eigentlich sein.
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