Hitler-Käfer und CIA-Katzen
Viele töten wir, manche essen wir sogar, andere verhätscheln wir, und wieder andere packen wir als so genannte Kunstinstallation ins Museum. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist fraglos ambivalent und in vielen Fällen absurd, wie sich diesem Buch entnehmen lässt. Der Autor Peter Iwaniewicz, promovierter Biologe und Wissenschaftsjournalist, schreibt seit 25 Jahren für die österreichische Wochenzeitung »Falter« die Kolumne »Tier der Woche«.
Entsprechend pointiert kommen die Geschichten in dem sehr hübsch gestalteten Werk daher, in das sich leider der eine oder andere Druckfehler eingeschlichen hat. Eingangs erlaubt sich der sonst scharfzüngige Iwaniewicz, in sanftem und ein wenig wehmütigem Ton zu erzählen. Da geht es etwa um die Sommerferien seiner Kindheit, deren »kreative Langeweile« weder vom Smartphone noch von der Spielkonsole durchbrochen wurde. Der Autor blickt hier in eine unwiederbringlich verflossene Zeit zurück, die kaum noch vorstellbar erscheint, aber gar nicht so lange her ist.
Vergessener Handdurchbohr-Test
Klar, noch heute freuen sich die Kinder auf endlose Wochen, in denen sie »den Trampelpfaden des Belehrtwerdens und steter Zurechtweisungen entkommen« können. Der Autor fragt sich aber, ob es überhaupt noch Kinder gebe, die beispielsweise Mistkäfer zu finden und dem »Mistkäfer-Handdurchbohr-Test« zu unterziehen wissen. Das klingt brutaler, als es ist. Der Test besteht darin, einen Käfer in der geschlossenen Faust zu halten und zu warten, bis dieser sich zwischen den Fingern durcharbeitet. »Das Ganze tut nicht weh, ist aber ein unvergleichlich sinnliches Erlebnis, besonders, wenn man währenddessen die Augen schließt.«
Im Anschluss daran zeigt er, was passiert, wenn der Mensch mit all seiner Einfalt auf die Tierwelt losgelassen wird. Iwaniewicz arbeitet zahlreiche Anekdoten und Meldungen in locker formulierten Kapiteln auf, etwa über Tiere in der Kunst, in der Wissenschaft oder über den Kampf des Menschen gegen vermeintlich bedrohliche Mitbewohner. Der Autor zerlegt hier alle mit spitzer Feder – ob hochrangige Politiker, Forscher oder Tierliebhaber.
Nicht besser ergeht es vermeintlichen Naturschützern, die etwa einem unglücklich getauften Insekt jede Hilfe verweigern. Dabei hatte der blinde und eher unscheinbare Käfer nur das Pech, im Jahr 1933 vom Entomologen Oscar Scheibel nach dem damaligen deutschen Reichskanzler Anophthalmus hitleri benannt zu werden. Der Name macht den Käfer zur Kuriosität und zum Sammlerstück, mit mehr als 1000 Euro pro Exemplar zu einem der teuersten Käfer in Europa – und damit zur bedrohten Art.
Ein klarer Fall für den Naturschutz, möchte man meinen. Wie Iwaniewicz schreibt, hätten entsprechende Aktivisten auf Nachfrage aber dankend abgelehnt, weil sich niemand die Rettung des »Hitler-Käfers« auf die Fahnen schreiben wolle. Mit solchen Geschichten untermauert der Wissenschaftsjournalist das nur schwer zu widerlegende Argument, dass das törichtste aller Tiere der Mensch ist.
Das Kopfschütteln des Autors ob unserer eigenen Idiotie schwingt quasi in jeder Zeile mit. Das ist ein Ton, der nicht jedem gefallen mag, aber durchaus seine Berechtigung hat. Denn worauf Iwaniewicz in seinen Geschichten hinweist, ist oft ein eklatanter Mangel an gesundem Menschenverstand. Oder warum sonst versuchte die CIA ausgerechnet Katzen gezielt als lebende Abhörvorrichtungen einzusetzen, die dann aber wenig überraschend nicht so wollten, wie sie sollten? An dieser Stelle sei auch gewarnt: So mancher Leser könnte sich bei der Lektüre hinsichtlich des Umgangs mit unseren Mitgeschöpfen mit eigenen Torheiten konfrontiert sehen.
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