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»Mikrokosmos«: Bizarre Schönheit

Das Buch liefert einen Einblick in eine weitgehend unbekannte Welt von Klein- und Kleinstlebewesen. Großartige Aufnahmen und informative Texte vermitteln umfassendes Wissen. Eine Rezension
Raupe frisst an Jakobskreuzkraut

»Dieses spektakuläre Buch öffnet die Tür in eine Welt innerhalb unserer Welt.« So lautet das Vorwort des großvolumigen Bildbands, der den Ursprüngen des Lebens anhand ihrer Kleinstlebewesen nachspürt. Ihre nicht zu überschätzende Bedeutung für unseren Planeten, ihre ungeheure Vielfalt, Geschichte und Wechselbeziehungen sowie ihre bizarre Schönheit bilden den Inhalt des Buchs, das vermutlich den meisten Leserinnen und Lesern eine weitgehend unbekannte Welt erschließt. Es bietet makro- und mikroskopisch faszinierende Einblicke in die Welt der Insekten, Spinnen, Bakterien, Viren und Pflanzen. Klein- und großformatige farbige Abbildungen mit bis zu millionenfachen Vergrößerungen, ergänzt mit prägnanten kurzen Texten, vermitteln umfassendes Wissen zur »Wunderwelt der kleinsten Lebewesen«.

Mikrokosmos aus verschiedenen Blickwinkeln

Das Buch erfüllt wissenschaftlichen Anspruch. Nach dem Doppelseitenprinzip aufgebaut, mit inhaltsvertiefenden Einschüben, Grafiken und Detailzeichnungen sowie einer Vielzahl von Querverweisen zu Details des Bildmaterials ausgestattet, nähert es sich dem Mikrokosmos aus verschiedenen Blickwinkeln. In neun Hauptkapiteln mit zahlreichen Unterkapiteln werden die Themen Nahrung, Atmung, Wahrnehmung, Reaktionsvermögen, Bewegung, Verteidigung, Fortpflanzung, Wachstum und Wandel sowie auch die Lebensräume der Kleinstlebewesen behandelt.

Einige Beispiele: Das Kapitel »Nahrungsquellen« umfasst 26 Unterkapitel von »Sonnenenergie« bis »Holz als Nahrung«. Beginnend bei Zyanobakterien, die den Prozess der Fotosynthese vor mehr als 3 Milliarden Jahren entwickelt haben, werden zahlreiche tierische und pflanzliche Methoden der Nahrungsbeschaffung, Nahrungsaufnahme und Nahrungsverwertung veranschaulicht. Pflanzliche Symbiosen mit Stickstoff bindenden Bakterien, Energieaustausch über Wurzelhaare sowie die räuberischen und parasitischen Nahrungsbeschaffungsmethoden verschiedener Kleinstlebewesen kommen dabei ebenso zur Sprache wie physiologische Vorgänge bei der Energiegewinnung der jeweils vorgestellten Spezies. Als eines von zehn im Buch enthaltenen »Spotlights« wird dabei das Darmbakterium Escherichia coli mit 7500-facher Vergrößerung als wichtiger Modellorganismus und Krankheitserreger doppelseitig dargestellt und mit Stoffwechsel, Physiologie sowie allgemeiner Bedeutung beschrieben.

Das Kapitel »Erkennen und reagieren« beleuchtet, wie Kleinstlebewesen, beginnend bei einfachsten Einzellern, ihre Umgebung wahrnehmen. Je nach Entwicklungsstufe besitzen sie chemische Sinne beziehungsweise Sinnesorgane wie Augenflecke, Antennen, Hör- und Geschmackszellen, um Informationen aufzunehmen, Nahrung, Licht und Partner zu finden oder einer Gefahr auszuweichen. Die Beschreibung der Fähigkeit, Farben oder Licht zu erzeugen, Farben zu verändern oder mittels Irideszenz vielfarbige metallische Schimmer zu induzieren, bietet spannende Einblicke in den Werkzeugkasten der Natur.

»Bewegung« ist eine der wichtigsten Eigenschaften des Lebens. Das »Spotlight« Pantoffeltierchen verdeutlicht, wie schlagende Härchen bei Einzellern (mindestens 250-mal dünner als menschliches Haar) Nahrung herbeistrudeln oder den Organismus durchs Wasser bewegen. Kriechende Zellen, Wimpern, einfache Muskeln, Schwimmbeine, Röhrenfüßchen, gegliederte Beine, Katapultierorgane, Sprungbeine und vor allem Flügel in überaus vielfältigen Varianten bilden weitere Möglichkeiten der Ortsveränderung.

Die Kapitel »Vermehrung« sowie »Wachstum und Wandel« widmen sich besonders wichtigen Eigenschaften des Lebens wie Replikation (Bildung einer exakten Kopie von Genen beziehungsweise Chromosomen durch selbstständige Verdopplung des genetischen Materials), Zellteilung, Zellorganisation, Vermehrung und Verbreitung. Vier Milliarden Jahre Evolution werden an Einzelorganismen veranschaulicht. Dass dabei (in einem weiteren »Spotlight«) auch Coronaviren vertreten sind, liegt nahe; die dazugehörende doppelseitige Abbildung bietet drastisches Anschauungsmaterial.

Es würde den Umfang dieser Besprechung sprengen, auch nur ansatzweise auf alle im Buch behandelten Themen (das Register enthält mehr als 1500 Einträge) einzugehen. »Mikrokosmos« ist ein gestalterisch und inhaltlich sehr gelungenes Werk. Die Autorinnen und Autoren vermochten es, überaus beeindruckendes Bildmaterial mit gut verständlichen Texten und tiefgründigen Zusatzerläuterungen zu verbinden und damit ein hochwertiges Sachbuch, das auch als Nachschlagewerk dienen kann, zu schaffen.

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