Porträt heimischer Tiere
Dominik Eulberg ist ein echtes Unikat: Er ist studierter Biologe und Naturschützer und seit 25 Jahren als DJ und Produzent höchst erfolgreich. In seinem ausführlichen Vorwort beschreibt er, wie er erst glaubte, sich zwischen seinen zwei Leidenschaften entscheiden zu müssen, anfangs Naturgeräusche in seine Tracks einbaute und die Natur als größte Künstlerin von allen und ständige Inspiration ansieht. Wie gut er heute seine Interessen verbindet, kann man unter anderem auf Youtube sehen, wo er im Dezember 2020 aus dem sich im Lockdown befindlichen Berliner Naturkundemuseum streamte, während die Kamera die naturwissenschaftlichen Präparate einfing.
Interessenvertreter der Natur
Dass er sich als Interessenvertreter der Natur versteht, versucht er nicht zu verbergen, im Gegenteil. Seine Strategie ist, durch Wissen den Erfahrungshorizont zu erweitern und so die Wertschätzung für als auch die Liebe zur Natur steigern, damit man sie entsprechend schützt.
Zu diesem Zweck porträtiert Eulberg in Deutschland lebende Tiere jeweils in kurzen Kapiteln und hat sichtlich Spaß daran, mit Skurrilitäten zu überraschen. Angefangen beim Kranich, der fast so groß ist wie ein Mensch und bis zu 40 Jahre alt werden kann, weltweit in der Mythologie eine wichtige Rolle spielt und dem Baustellenkran seinen Namen gab. Etwas kleiner ist der Biber, ein Meisteringenieur, der mit seinen Bauten ganze Biotope schafft und im 19. Jahrhundert fast ausgerottet worden wäre, weil Menschen sein Wasser abweisendes Fell als Mantel tragen wollten. An der Bauchseite hat das Tier unglaubliche 23 000 Haare pro Quadratzentimeter. Sehr beliebt war auch das »Bibergeil«, ein sich in Beuteln zwischen Genitalien und After befindliches Sekret, das der Biber zur Reviermarkierung und Identifizierung nutzt. Menschen verwendeten es als Allheilmittel, und tatsächlich hat es dank der Salizylsäure eine medizinische Wirkung. Der Biber sorgt nicht nur für Medizin und Lebensraum durch seine Bautätigkeiten, dem Biberkäfer dient er ganz direkt als Lebensmittelpunkt. Dieser augen- und flügellose Käfer verbringt fast sein gesamtes Leben im dichten Fell des Tiers und ernährt sich von dessen Hautschuppen.
Auch die Mauersegler sind eine Symbiose mit winzigen Kleinstlebewesen eingegangen. Sie verbringen, außer in der Brutzeit, ihr gesamtes Leben in der Luft und ernähren sich von Luftplankton, das aus Algen, Bakterien und unter anderem auch dem drei Millimeter großen Fransenflügler besteht. Dieser kann wie Krill im Meer nicht aus eigener Kraft seine Richtung lenken, aber immerhin die Flügel zuklappen, um zu landen.
Ebenfalls in der Luft zu Hause – wenn auch nicht ganz so dauerhaft – sind Fledermäuse. Sie sind seit 50 Millionen Jahren nahezu unverändert geblieben und machen ein Viertel der Säugetierarten hier zu Lande aus. Zu ihren Winterschlafplätzen legen sie 2000 Kilometer zurück.
Mindestens genauso faszinierend beschreibt Eulberg anschaulich die sozialen Verhältnisse der kleinsten Tiere und findet dabei Analogien zu bekannteren Tieren wie Schafen, Wölfen und Schäferhunden. Die Leibspeise der Florfliege sind Wollläuse, die wiederum in Herden leben und von Ameisen gepflegt und bewacht werden. Die Ameisen melken die Läuse, um ihren süßen Honigtau zu gewinnen – halten sie also als Nutztiere. Die Florfliege schnappt sich hingegen Wollläuse, die sich abseits der Herde befinden, tötet sie und zieht sich ihre »Wolle« über. So wird die Fliege weder von den anderen Läusen noch von den Ameisen erkannt und saugt eine Laus nach der anderen aus.
Der Autor fokussiert aber nicht nur auf Tiere. Pilze zum Beispiel besiedeln seit einer Milliarde Jahren (und somit doppelt so lange wie an Land lebende Pflanzen) unseren Planeten. Eulberg beschreibt detailliert, wie sie Steine zersetzen, sich von ihren Mineralen ernähren und so erst die Grundlage für Erde und anderes Leben legten. Die Symbiose mit Algen und später Bäumen ermöglichte das, was wir heute als Wald kennen.
Das alles sind nur wenige Beispiele aus der faszinierenden Palette, die Eulberg in seinem Buch ausbreitet. Ergänzt wird der Text durch viele naturgetreue farbige Zeichnungen der »Cramers Gallery of Nature« des schweizerischen Erich Cramer Verlags, die hauptsächlich aus der Mitte des 20. Jahrhunderts stammen. Wenn man dieses Werk liest, sieht man im Wald zweifelsohne mehr als »einen Fuchs und ein paar Fichten«, wie es im Vorwort heißt.
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