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»Milch ohne Honig«: Summ, summ, Superheldin

Die Comicautorin Hanna Harms präsentiert eine hinreißend gezeichnete Geschichte über das Leben und Sterben der Bienen mit wenigen Strichen und Worten. Eine Rezension
Bienen auf Honigwaben.

Superhelden, die sich vor krank machendem Kryptonit fürchten oder von Spinnen gebissen wurden, oder Amazonen mit unzerstörbarem Lasso retten in Comicstrips regelmäßig die Welt. Zu kaufen gibt es solche fantastischen Geschichten zum Beispiel beim Carlsen Verlag. Es mag vielleicht überraschen, dass sich nun ein illustriertes Sachbuch zu Insekten in die Werke über Superhelden und -heldinnen eingereiht hat. Eine Erklärung könnte sein, dass die Geschichte der Bienen von Hanna Harms so überragend gut gelungen ist.

Die Illustratorin Harms hat in Münster an der School of Design studiert und ist nun Comicautorin. Für »Milch ohne Honig« hat sie 2022 den Ginco Award für den »Best Nonfiction Comic« erhalten. Der Carlsen Verlag ehrt ihre Arbeit nicht nur mit einer luxuriösen Hardcover-Ausgabe, sondern betont auf den ersten Seiten auch die umweltfreundliche Herstellung des Buchs.

So manche Informationen mehr als in einem Sachbuch

Die künstlerische Palette von Harms erscheint spartanisch. Mit schwarzen und gelben Flächen, feinen schwarzen Linien, weißen Bienenflügeln und ab und zu einer rosa Blume breitet sie trotzdem die ganze Welt der Bienen vor dem Publikum aus. Berichtet, wie die Tiere leben und sterben, wie sie unter den Insektiziden und den immer karger werdenden Landschaften leiden. Mit knappen Sätzen und vielen Zeichnungen erzählt Harms vom Bienenstammbaum, wie Krankheiten Bienenstöcke zu »Geisterstädten« machen, welche Regierungsformen in den Bienenvölkern herrschen und welch verheerenden Einfluss monotone Landschaften haben. Dabei liefert sie mache Information mehr als ein typisches Sachbuch. Vieles zeichnet die Illustratorin auf äußerst kreative Weise, etwa die Navigationskarte im Kopf einer Biene, mit der diese geometrische Bezüge und Wegmarken speichert, um pollenreiche Blumen wiederzufinden.

Das Zusammenspiel von Zeichnungen und Texten erscheint so nüchtern und rührt dabei dennoch an, denn Harms schafft den Zusammenschluss von Poesie und Wissenschaft. Und trotz aller Düsternis wegen des Bienensterbens sieht Harms Hoffnung, »wenn viele Menschen ein paar Blumen pflanzen« und über den Dächern mancher Städte Bienenvölker wohnen können.

Die Illustratorin erzählt nichts Neues. Aber sie erinnert auf hinreißend schöne und nachdenkliche Weise an die nützlichen kleinen Wesen. Ihre angenehme Art zu erzählen, die zurückhaltenden Striche und Texte verführen dazu, das Buch immer wieder neu aufzuschlagen und darin zu versinken. »Bunte und duftende Pflanzen werden von Bienen bestäubt. Unscheinbare und trockene vom Wind«, schreibt Harms. »Eine Welt ohne Bienen wäre eine graue Welt. Eine düstere Zukunft. Denn die Welt der Bienen ist auch die der Menschen.«

»Insektendämmerung ist real« Jürgen Tautz, Bienenexperte

Ist das globale Insektensterben für die Zukunft der Menschen vielleicht sogar schädlicher als der Klimawandel? Diese provokante Frage stellt der Insektenforscher und Bienenexperte Jürgen Tautz von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg seinem Nachwort voran. Er ist unter anderem Autor des Buchs »Die Sprache der Bienen«, in dem er die Tänze der Insekten als Kommunikationsform entschlüsselt. Tautz fordert auf, mal einen Spaziergang im Freiland zu unternehmen und sich selbst ein Bild über das »Insektenarmageddon« zu machen. Dabei merke der ein oder andere möglicherweise, wie schwer es ist, Schmetterlinge auf Blüten oder Käfer auf dem Weg zu entdecken.

Leider werden Supergirl und Superman wohl eher nicht eines Tages auftauchen, um die Welt zu retten. Vielleicht sind die wahren Superhelden unserer Welt ja die Insekten. Doch die »Insektendämmerung ist real«, wie Tautz schreibt. Daher nimmt die Geschichte der Bienenhelden, die für Kinder ebenso geeignet ist wie für Erwachsene, die Leserinnen und Leser wahrscheinlich stärker mit als ein üblicher Superheldencomic.

Womöglich kommt das Buch gerade zur rechten Zeit. Denn aktuell fordern einige Parteien angesichts der gegenwärtigen Krisen, wieder mehr Pflanzenschutzmittel einzusetzen: wegen des Kriegs, gegen den Klimawandel und für Biosprit – aber zum Leidwesen von Insekten wie den Bienen.

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