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Warum der Maulwurf keine Mäuler wirft

In unserer Alltagssprache wimmelt es von Tieren. Wie es dazu kam, erklärt der Germanist Matthias Heine.

Der Sternhaufen, den man »suculae« (Schweinchen) nenne, verdanke seinen Namen einer Fehlübersetzung aus dem Griechischen. Dort nämlich heiße er »Hyaden«, was sich aber eben nicht von »hys« (Schwein) ableite, sondern von »hyein« (regnen). Mit solchen Informationen belieferte im 2. Jahrhundert n. Chr. ein gewisser Aulus Gellius sein Publikum, der vermutlich nur noch Latinisten bekannt ist. Gellius trug eine gewaltige Sammlung von Lesefrüchten, Anekdoten und Kuriositäten zusammen und kippte sie unter dem Titel »Attische Nächte« ungeordnet über seine Leser aus.

Ganz ähnlich verfährt nun der Germanist und Journalist Matthias Heine in seinem Büchlein »Mit Affenzahn über die Eselsbrücke«. Dem Werk ist unter anderem zu entnehmen, dass der »Kater« nach exzessivem Alkoholgenuss nichts mit der Deutschen liebstem Haustier zu tun hat, sondern auf eine Verballhornung des »Katarrh« zurückgeht, mit dem Studenten früher diese Unpässlichkeit vornehm umschrieben.

Hahnenkämpfe mit aalglatten Dinosauriern sind kein Ponyhof

Anders als sein antiker Kollege aber beschränkt Heine sich auf »Tiere in unserer Sprache« (so der Untertitel), und er ordnet sein Wissen sehr wohl, nämlich nach dem Alphabet: vom Aal bis zur Zicke. Der Autor beschreibt für diverse Redensarten, wie sie entstanden sind und welche Geschichte sie durchliefen, und er fragt nach den zugrunde liegenden Bildern der jeweiligen Tierspezies. Was dabei herauskommt, ist laut Heine selbst »weniger ein Buch über Tiere als ein Buch über Menschen, die Tiere nutzen, um sich selbst zu deuten«. Das Werk ähnelt fast schon einer miniaturisierten Kulturgeschichte des Verhältnisses von Mensch und Tier, wie es im (nicht nur) deutschen Sprachgebrauch fassbar wird – leichthändig formuliert und ohne überbordende Gelehrsamkeit.

Die gesammelten Redensarten stammen aus einer Zeitspanne von der indoeuropäischen Frühzeit bis zum Computerzeitalter. So nimmt man erstaunt zur Kenntnis, dass eine 1970 patentierte »Computer-Aided Display Control« bereits 1965 in einem Forschungsbericht als »mouse« bezeichnet wurde. Wer schon immer wissen wollte, seit wann Dinosaurier als Metapher für unbelehrbar rückständige Zeitgenossen herhalten müssen (nicht erst seit »Jurassic Park«); woher es kommt, dass eine Krankheit wie ein Krustentier heißt; oder warum das Leben kein Ponyhof ist: hier wird er fündig. Die Autorin von Ponyhof-Büchern, die der Autor in diesem Zusammenhang anführt, heißt allerdings nicht Ilse, sondern Lise Gast – ein verschmerzbarer Fehler.

Freilich ist die Herkunft von Redensarten und Ausdrucksweisen heute oft nicht mehr eindeutig zu klären. Die »Hechtsuppe«, wie die es ziehen soll, stammt vermutlich doch nicht vom jiddischen »hech« (wie) und »supha« (starker Sturm) ab – schade eigentlich. Auch ist das Kürzel »nt« für »non testatum« (nicht bezeugt) wohl nicht der Ursprung der berüchtigten Zeitungsente. Die Drohne hingegen, die uns in absehbarer Zeit die Pizza nach Hause liefern soll, hat – und da ist man nun recht sicher – nur vermeintlich etwas mit der männlichen Biene zu tun. In Wahrheit stand das tiefe Brummen des Motors, das im Englischen »drone« genannt wird, Pate.

Einige weitere Beispiele? Der Maulwurf wirft natürlich nicht Mäuler, sondern Haufen auf, wie der Vergleich mit dem altnordischen »mugi« (Haufen) lehrt. Der »Katzlmacher«, ein offenbar schon im 18. Jahrhundert nachweisbares Schimpfwort für italienische Gastarbeiter, macht keine Katzen, sondern Kessel – genauer: »cazza«, italienisch dialektal für Zinngeschirr. So geht das immer weiter: man liest ein Kapitel, dann noch eins – und ehe man sich‘s versieht, hat man den ganzen Band durch, einiges gelernt und sich dabei prächtig amüsiert. Ein Buch wie eine Tüte Kartoffelchips, doch mit erheblich mehr Nährwert und ganz ohne unliebsame Konsequenzen für die Figur.

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