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Buchkritik zu »Molekularbiologie der Zelle«

Von James Watson ursprünglich ins Leben gerufen, ist die vierte deutsche Auflage dieses Klassikers der molekularen Zellbiologie nur kurz nach der englischen im Wiley-VCH Verlag Weinheim soeben erschienen. Dem Leser einen Blick auf das zu geben, was in der Zellbiolo-gie bekannt ist, aber auch auf das noch Unbekannte – dieses Konzept des Autorenteams hat sich längstens bewährt, und so bleibt nur auszuloten, was verändert wurde, und wo man Schwächen findet. Eine lange Tragzeit brauchte diese Neuauflage, fast eine Dekade, und dank der Revolution durch die Genomik zeigt es sich in vielen Aspekten stark umgebaut und erweitert. So zieht sich wie ein roter Faden, dem Trend molekularbiologischer Forschung folgend, durch das Buch, dass ohne ein Verständnis für Embryonalprozesse fundierte biomedizinische Fortschritte nur schwerlich zu erzielen sind.

In der Einführung schon wird das Gen in den Mittelpunkt der Funktion von Zellen gestellt. Nachdem unerlässliches biochemisches Grundwissen in den beiden folgenden Kapiteln vermittelt ist, stellt der Teil II den molekularen Kern des Buches dar, wo man den Weg vom Gen zum Protein und die Kontrolle der Genexpression kompetent behandelt findet. Besonders ge-lungen erscheint mir der Teil III mit den wesentlichen experimentellen Vorgehensweisen, die ein Molekular-, ein Zell- oder Entwicklungsbiologe ständig braucht. Die Handhabung von Proteinen und Nucleinsäuren, von Zellen und Geweben, Mikroarray- oder Hefehybridtechni-ken, oder auch Verfahren zum Genaustausch in der Keimbahn, alles findet man in diesem Methodenbuch. Hierzu zählt auch ein Kapitel über das "Abbild der Zellen", in dem Markierungs- und Mikroskopietechniken gebührend Raum gegeben wird. Teil IV beschäftigt sich mit der Zellbiologie im engeren Sinne. Am Themenkatalog selbst – von A wie Actin bis Z wie Zellteilung – ist nicht viel Neues, der betrachtete Wissenszuwachs in den letzten Jahren jedoch war immens, und dies wird hier auf einen neuen Stand gebracht. Teilweise hervorragende Fluoreszenzbilder machen die Plastizität und Lebendigkeit der Zelle greifbar. Man spürt, wie sehr es den Autoren daran gelegen ist, ihre eigene Begeisterung für ihr Metier auf den geneigten Leser zu übertragen. Stark erweitert zeigt sich der letzte Abschnitt, wo es um die Zelle in ihrem sozialen Umfeld geht. Die molekularen Grundlagen der frühen Entwicklung, die medizinischen Möglichkeiten der Stammzellbiologie, des Tissue Engineering ebenso wie Fortschritte in der Krebstherapie werden ausführlich behandelt. Mit zwei Kapiteln über Immunologie, neuen Krankheitserregern und die anhaltende Gefahr weltweiter Epidemien schließt das Buch.

Die Kapitel sind klar strukturiert, behandeln teilweise neueste Sachverhalte bis ins Jahr 2002 hinein; die Literaturangaben gibt´s erst an deren Ende, ebenso wie eine Zusammenfassung, was dem Textfluß gut tut. Die mehr als 1600 Abbildungen und Originalzeichnungen sind meist von hoher Qualität; man hat sich um einen durchgehenden Stil sowohl bei Abbildungen wie im Text sichtlich bemüht. Die Schemazeichnungen sind nun vielfarbig gehalten; weitge-hend ist dies vorteilhaft, nur zuweilen gerät dies ins zu Bunte (wie etwa in einigen Tafeln, S. 608-609). Das Buch war und ist kein biochemisches Nachschlagewerk; vergeblich wird man nach der Strukturformel etwa für Melatonin suchen. Neu ist auch die CD-ROM "Cell Biology Interactive", die mit dem Buch kommt und eine herrliche Lern- und Lehrhilfe darstellt. Wer hier einmal eingestiegen ist, wird nur schwerlich wieder herausfinden, denn Biologie live macht süchtig. Probieren Sie´s, z.B. gleich mit dem ersten Clip über den "Keratocyte dance". Das Aktivieren der CD war allerdings nicht ganz problemlos, die Videos wollen offenbar nur in einer ganz bestimmten Netscape-Umgebung tanzen. Die Übertragung ins Deutsche zeigt leider so seine Haken und Ösen. So schwer dies bei dem heutigen Bio-Kauderwelsch, das oft schon in der Urfassung herrscht, sein mag, hätte man den Übersetzern dennoch mehr Souve-ränität mit dem gehörigen Abstand zum Urtext gewünscht, um flüssige und doch sachlich treffende Formulierungen zu finden. So wurde etwa "..genomic sequences left scientists with many questions…" griffelspitzerisch mit "Genomsequenzen haben die Wissenschaftler mit vielen Fragen zurückgelassen" übersetzt. Man holpert über "Siebenpfad-Transmembran-moleküle", oder "Menschen melden ihre eigenen Eigenheiten", aber seien wir einfach froh, dass wir den Text haben. Das Buch ist seine gut 100 Euro bei weitem wert, für Studenten noch erschwinglich und gehört auf das Bücherregal jedes Lebenswissenschaftlers (wieder so ein biowelsches Wort). Auch Leuten, die schon im Besitz der 3. Ausgabe sind und nicht mehr auf jeden Pfennig schauen müssen, kann die Anschaffung dieser 4. Ausgabe wärmstens empfohlen werden.
  • Quellen
BIOspektrum 2/2004

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