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Buchkritik zu »Nachgefragt: Philosophie«

Eigentlich ist Philosophie für Kinder etwas vollkommen Natürliches. Von den ewigen »Warum?«-Fragen der Vierjährigen bis zu den tief schürfenden Gedanken der Pubertierenden über den Sinn des Lebens – in diesem Alter stellen die Menschen noch Fragen, welche die Erwachsenen längst ad acta gelegt haben. Andererseits ist richtige Philosophie häufig schwere Kost, und man muss den jungen Denkern Brücken bauen. Dabei ist der Grat zwischen notwendiger Vereinfachung und einem Abrutschen ins Banale schmal.

Diese Gratwanderung wagt die freie Journalistin Christine Schulz-Reiss. Mit »Nachgefragt: Politik« (2003) und »Was glaubt die Welt?« (2004) hat sie sich bereits an junge Leser gewandt. In ihrem neuen Buch stellt sie in einfacher Sprache die wichtigsten Philosophen und ihre Theorien vor. Schulz-Reiss gibt sich alle Mühe, ihre Leser mit lebhaften, kindgerechten Formulierungen und einem übersichtlichen Aufbau bei der Stange zu halten. Umständliche Begriffe werden vermieden, notwendige Ausdrücke gesondert erklärt und in einem Stichwortverzeichnis vermerkt. Ein Glossar der beschriebenen Philosophen erleichtert die Navigation durch das Buch.

Nach einer Einführung in die elementaren Fragen der Menschheit folgen einzelne Kapitel über deren Vordenker, beginnend bei Thales von Milet bis zu Bertrand Russell. Jedem Philosophen wird eine Seite gewidmet. Die durchgängige Nennung der Namen in der Überschrift erleichtert die Suche, ein kurzer Vorspann animiert zur Lektüre. Die zahlreichen Illustrationen lockern die Seiten auf und helfen, abstrakte Themen anschaulich zu vermitteln. Leider wird dieses Verfahren nicht konsequent durchgehalten. So hätte sich das Wettrennen zwischen Achill und der Schildkröte für eine Illustration geradezu aufgedrängt.

Stattdessen wird noch nicht einmal der Urheber des Paradoxes, Zenon von Elea, erwähnt. Obendrein ist eine Seite pro Philosoph manchmal zu knapp. Immerhin hat die Autorin Sokrates, Platon, Aristoteles, Locke, Rousseau, Kant und Hegel jeweils mehrere Seiten gegönnt, auf denen sie neben der Relevanz der »Schwergewichte« für künftige Denker auch den Kern ihrer Philosophie erklärt. Ärgerlich ist aber, wenn der kategorische Imperativ Kants verkürzt wird auf die goldene Regel »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu«. Auch eine Erwähnung des Dualismus von Descartes hätte nicht geschadet.

Während Schulz-Reiss einen sehr guten Überblick über die klassische Philosophie bietet, ist das 20. Jahrhundert deutlich unterrepräsentiert. Zudem drängt sich der Verdacht auf, dass die Auswahl der moderneren Vertreter von persönlichen Vorlieben der Autorin geprägt ist. Zumindest hat die Entwicklung im vergangenen Jahrhundert nicht mit Bertrand Russell geendet. Durch die technischen und medizinischen Fortschritte im 20. Jahrhundert ergeben sich unzählige neue Fragen. Diese werden im Buch kurz angerissen, jedoch nicht erklärt, geschweige denn philosophische Ansichten dazu vermittelt.

Zu dem Namensverzeichnis (»Glossar«) mit Kurzbiografien hätte dringendnoch wenigstens je ein Hauptwerk für die weiterführende Lektüre genannt werden müssen. Hilfreich wäre auch gewesen zu erfahren, was die einzelnen Denker neben ihren philosophischen Arbeiten veröffentlicht haben. Die Altersempfehlung von zwölf Jahren ist stark überhöht, die einfache Verständlichkeit dürfte es auch einem aufgeweckten Achtjährigen erlauben, Freude an der Materie zu finden. Das gesonderte Kapitel über Frauen in der Philosophie bietet aber auch erwachsenen Lesern noch interessante Erkenntnisse. Es gab nicht nur Xanthippe, die ihren Mann auf die Straße jagte.

Bei aller Kritik: Die Kapitel sind übersichtlich, treffen meist den Kern des Themas und machen Lust weiterzulesen. Der Band bietet einen guten Überblick über die wichtigsten Vertreter und Gedanken der Zunft. Wer seinen Kindern einen Gefallen tun will, den sie später zu würdigen wissen, ist mit »Nachgefragt: Philosophie« gut beraten.
  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 4/2006

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