Öko-Griechen und grüne Römer?
Gab es in der Antike ein ökologisches Bewusstsein? Wie gingen Griechen und Römer mit erschöpflichen Ressourcen um? Und kannten sie das Konzept, etwas zu gebrauchen, ohne es aufzubrauchen? Diesen und anderen Fragen gehen Gelehrte aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen (Alte Geschichte, Klassische Archäologie, Klassische Philologie) in einem anregenden Sammelband nach.
Die Natur zähmen und dominieren
Den Beitragsreigen eröffnet der Basler Althistoriker Lukas Thommen mit einer grundsätzlichen Feststellung, wonach Griechen und Römer ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu ihrer Umwelt hatten, das von Naturverehrung bis zur ungebremsten Ressourcenausbeutung reichte. Einerseits haben sie die Natur als einen von göttlichen Mächten geprägten Raum betrachtet, dem Respekt gebührt. Andererseits entwickelte sich eine rationale Sichtweise der Welt, in welcher der Mensch seine geistigen Fähigkeiten einsetzte, um die Natur zu zähmen und zu beherrschen.
Auch wenn letztere Sichtweise dominierte, gab es vereinzelt auch mahnende Stimmen, die vor allzu rücksichtslosem Raubbau an der Natur und dessen längerfristigen Folgen warnten. Weitsichtigere Gelehrte wie Platon beklagten die Umweltsünden ihrer Zeitgenossen, welche die Wälder ungehemmt rodeten, und benannten deren Folgen: Erosion und Verkarstung. Auch Cicero mokierte sich über eine weit verbreitete Mentalität der Verantwortungslosigkeit gegenüber künftigen Generationen: Es sei schlichtweg unmenschlich und verbrecherisch, wenn einem nichts daran liege, ob nach dem eigenen Tod die ganze Erde in Flammen aufgehe.
Dass man sich in der Antike der Endlichkeit von Ressourcen durchaus bewusst war, zeigt Thommen am Beispiel einer Verordnung unter Kaiser Hadrian, die bedrohte Zedernarten im Libanon unter Naturschutz stellte, oder anhand von Papyri aus dem 5. Jahrhundert, die belegen, dass man in Ägypten Maßnahmen zur Wiederaufforstung ergriff.
Eine andere Form antiker »Nachhaltigkeit« behandelt der Beitrag des Züricher Bauforschers Clemens Voigts im Zusammenhang mit der dauerhaften Nutzung von Rohstoffen im Bauwesen. Er kann nachweisen, dass es selbst in dem mit enormem Aufwand betriebenen Bereich der Monumentalarchitektur Ansätze von Recycling gab, wie die Praxis der Wiederverwendung von Marmorbauteilen im kaiserzeitlichen Rom zeigt. Allerdings, so Voigts, spielten dabei offensichtlich weniger ökologische als vielmehr pragmatische und wirtschaftliche Überlegungen eine handlungsleitende Rolle.
Den Aspekt der Energiespeicherung nimmt die Oxforder Archäologin Janet DeLaine anhand technischer Innovationen in der Badekultur in den Blick. Römische Thermen waren wahre Energieschleudern, für deren konstante Beheizung Unmengen an Brennstoff verbraucht wurden. Dank wärmeisolierender Maßnahmen wie der Verwendung von doppeltverglasten Fenstern und Wandheizungen konnte man den Energieverbrauch verringern und gleichzeitig die Wärmeenergie effizienter nutzen.
Oftmals sind Nachhaltigkeitsargumente auch sozial eingefärbt, wie der französische Althistoriker Christophe Chandezon anhand der meist von Adligen vorgebrachten Kritik an der Ziegenhaltung zeigt, wonach die gefräßigen Vierbeiner großen Schaden an Kulturpflanzen anrichteten. Dieses »elitäre Ziegenbashing«, so Chandezon, hatte weniger mit ökologischem Artenschutzdenken zu tun, sondern war mehr dem Umstand geschuldet, dass die reichen Landbesitzer um ihre Einnahmemöglichkeiten aus der Forst- und Landwirtschaft bangten.
Ausgehend vom frühneuzeitlichen »Nachhaltigkeitsbegriff« untersucht Jens Soentgen vom Wissenschaftszentrum Umwelt in Augsburg die Geschichte des Nachhaltigkeitsdenkens im römischen Recht. Er zeigt, dass Nachhaltigkeit eng mit dem Konzept des »usus fructus« (Nießbrauch) verbunden ist. Es handelt sich dabei um das Recht, eine Sache (meist fruchttragende Landstücke), die einem anderen gehört, so zu nutzen, dass deren Substanz erhalten bleibt.
Der sehr lesenswerte Sammelband liefert interessante Einblicke in ökologische Verhaltensweisen antiker Gesellschaften und deren Motivation. Auch wenn diese den Begriff der Nachhaltigkeit als Idee für eine neue Wirtschaftsethik noch nicht kannten, in den Praktiken ihres Umweltverhaltens bieten sie dennoch reichlich Anschauungsmaterial, das sowohl Parallelen als auch wichtige Unterschiede zur Gegenwart erkennen lässt.
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