Survival-Kit für das klinische Jahr
Wie eine »Scharlatanin …, Hochstaplerin …, Quacksalberin …, keine Ahnung von gar nichts« fühlte sich die Psychologin Sarah von Brachel an ihrem ersten Arbeitstag in der Psychiatrie. Wie alle, die Psychotherapeutin oder Psychotherapeut werden wollen, musste sie im Anschluss an ihr Psychologiestudium den Sprung ins kalte Wasser wagen und das so genannte klinische Jahr absolvieren.
Mit ihrem Werk »Nächster Halt: Klinik« hat von Brachel den Therapeuten von morgen ein Carepaket für diese turbulente Zeit geschnürt. Das Buch, das eigentlich mal in eine Hosentasche passen sollte, ist am Ende doch über 200 Seiten lang geworden – zu viel gab es, was wichtig war.
Wer macht was in der Klinik? Warum ist dieses leidvolle Dokumentieren unerlässlich? Was wird mit welchen diagnostischen Testverfahren am häufigsten gemessen? Welche Anlaufstellen gibt es für Patienten jenseits der Klinik? Wann sind Zwangsmaßnahmen erlaubt? Und wie stellt man eine gute Beziehung zu jemandem her, der doppelt so alt wie man selbst, misstrauisch und emotional hoch belastet ist (»Sie sind zu jung«)? In kurz gehaltenen Kapiteln bespricht von Brachel konkrete Situationen und schafft es, bei aller Sachlichkeit und gebotenen Ernsthaftigkeit lebendig und abwechslungsreich zu berichten. Hilfreich sind insbesondere die eingestreuten Beispiele, Infokästen und Übungen, nicht zuletzt zur therapeutischen Selbstfürsorge. Denn darum scheint es der Autorin im Kern zu gehen: ein Bewusstsein zu schaffen für die eigene Rolle und Haltung in einem Arbeitsalltag, der anspruchsvoll, aber zu bewältigen ist.
Die Auswahl der Themen und Unterkapitel ist, wenn auch bunt zusammengewürfelt, gut gelungen. Welche für einen selbst relevant sind, hängt von vielen Faktoren ab – vom klinischen Setting (stationär, teilstationär, psychiatrisch, psychosomatisch), vom Team, den zu behandelnden Patienten und nicht zuletzt von der Qualität der Ausbildungsbetreuung. Übrigens: Die Ausbildung für Psychotherapeuten ist derzeit im Umbruch. In spätestens zwölf Jahren wird es das klinische Jahr in dieser Form nicht mehr geben – dafür eine Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten. Eine Zeit in der Klinik ist dennoch erforderlich. Am Ende der Lektüre hat man deutlich mehr Ahnung von den Vorgängen vor und hinter den Kulissen des Klinikalltags – und im besten Fall neue Ideen, wie man mit bestimmten Herausforderungen umgehen kann.
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