Die vielen Gesichter der Intimität
Die Liebe eines Vaters zu seiner Tochter; die Zuneigung zwischen Paaren; das erotische Prickeln, das zwei Fremde beim Sex verspüren: Nähe hat viele Gesichter. In seinem aktuellen Werk stellt der Hirnforscher Giovanni Frazzetto einige von ihnen unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten vor. Das Buch besteht aus acht Kapiteln, die Kurzgeschichten über fiktive Charaktere mit Erkenntnissen aus Psychologie, Medizin und Hirnforschung verweben. So lernen wir am Beispiel der Künstlerin Anita, warum Einsamkeit auf der Seele lastet. Aiden und Carrie, die seit 35 Jahren glücklich miteinander sind, bringen uns die Neurobiologie der Treue näher; Ryan und Vanessa die der Untreue.
Dabei versucht Frazzetto stets, die Gefühle und Handlungen seiner Figuren mit Hilfe der Forschung zu erklären – und nebenbei noch ein paar Lebensweisheiten für den Leser abzuleiten. Denn sein Buch soll auch dazu anregen, über »eigene Erfahrungen mit Nähe in Liebe, Freundschaft und Familie nachzudenken«, wie der Autor im Vorwort schreibt.
Die Kapitel sind kurzweilig, der romanhafte Erzählstil und die oft recht simple Darstellung von biologischen Vorgängen machen sie auch für Leser ohne Vorkenntnisse verständlich. Negativ zu Buche schlägt hingegen, dass die Geschichten an klischeehafte Hollywood-Filme erinnern. Etwa wenn die 40-jährige Anita, die aus Brooklyn nach Berlin gezogen ist, einen »imaginären Freund« erfindet, um vor ihrer Mutter Ruth besser dazustehen. Denn die macht sich Sorgen, weil ihre Tochter immer noch nicht unter der Haube ist. Ruth, deren »Erfolgsgefühl als Mutter« vom Liebesleben der Tochter abhängt, hat das natürlich längst durchschaut. Sie tut aber so, als würde sie Anita die Scharade abkaufen. In solchen Momenten wünscht man sich, der Autor hätte sich an echten Beziehungen orientiert, in denen sich die Leser wiederfinden können. Schließlich schreibt das Leben immer noch die authentischsten Geschichten über Liebe, Einsamkeit, Vertrauen und Freundschaft.
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