Raue Schönheit im Norden
Viele lieben das marine Klima, die Strände und Dünen, Salzwiesen, Windwatten, Klippen und Fjorde der Nordsee. Dieses Meer, ein eher kleines am Rand des Nordatlantik, erweist sich bei näherem Hinsehen als bedeutendes Naturparadies, das eine Erkundung lohnt.
Der Meeresbiologe Fritz Gosselck und der Biologe und renommierte Buchautor Bruno P. Kremer legen nun einen großformatigen Bildband vor, der die schönsten Küstenlandschaften der Nordsee vorstellt. Ob das Buch allerdings zum Reisebegleiter taugt, ist aufgrund seiner Größe und seines Gewichtes anzuzweifeln. Auch in Aufmachung und Dimension weicht es von typischen Reiseführern ab und ähnelt eher einem Lehrbuch.
Seevögel und Salzwiesen
Dennoch: Gleich acht Anrainerstaaten sind einen Besuch wert. Denn auf drei Seiten ist die Nordsee von festen Landmassen umschlossen – vom Ärmelkanal und dem Skagerrak zwischen Dänemark und Norwegen einmal abgesehen. Nur im Norden gibt es einen fließenden Übergang in den Atlantik. Als charakteristische Merkmale fallen der hohe Salzgehalt und der örtlich sehr ausgeprägte Gezeitenwechsel ins Auge. Ebbe und Flut prägen auch die Küstenregionen der Niederlande und Deutschlands und haben etwa die west- und ostfriesischen Inseln entstehen lassen.
So unterschiedlich die Küstenregionen, so verschieden sind die Lebensräume, die immer ein reichhaltiges Arteninventar aufweisen. Während auf den britischen Orkney- und Shetland-Inseln vor allem die Seevögel beeindrucken – darunter Basstölpel, Papageitaucher und Alken –, bestechen auf den Halligen Nordfrieslands ausgedehnte Salzwiesen durch ihre Schönheit.
Die spannende Erlebnistour des Bildbands startet an der Küste Britanniens, die vor allem von unzähligen Inseln geprägt ist. Südwestlich der Nordsee liegen die Küstenregionen Frankreichs und Belgiens; letztere stark von menschlichen Aktivitäten geprägt. Die Leser erfahren, dass die Niederlande infolge eines Zusammenspiels von Nordsee, Rhein und Mensch entstanden sind, und dass Hamburg mit seinen drei naturbelassenen Inseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn ebenfalls im Wattenmeer liegt. Über Dänemark geht die Reise weiter an die Küsten Schwedens und Norwegens, wo uns Schären, wilde Fjorde und Wasserfälle erwarten.
In den gut verständlichen Text sind, blau abgesetzt, besondere Artenporträts eingestreut, in denen Gosselck und Kremer ergiebiges biologisches Fachwissen transportieren – und das erfreulich konzise. Diverse Infokästen berichten über geologische oder kulturelle Besonderheiten, etwa eiszeitliche Findlinge oder das nordische »Jedermannsrecht«, und sie machen auf Gefahren aufmerksam, beispielsweise an den britischen Kliffküsten, wo unvorsichtige Wanderer mit großen Tidenhüben konfrontiert werden können. Übersichtskarten, Tabellen und Grafiken erklären naturwissenschaftliche Phänomene und belegen die Sachkompetenz der Autoren, die gemeinsam schon viele erfolgreiche Buchprojekte realisiert haben.
Mit Gosselck und Kremer hat sich einmal mehr ein erfahrenes Autorenteam gefunden. Beide überzeugen als passionierte Biologen, und mit mehr als 170 veröffentlichten Büchern, die beinahe immer geologische, chemische und biologische Phänomene beleuchten, ist der ehemalige Hochschullehrer Kremer ein versierter Allrounder, der die Leser in den Bann zu ziehen weiß. »Naturparadies Nordsee« richtet sich an ein Publikum ohne spezielle Vorkenntnisse und ist mit seiner reichen Bebilderung beinahe ein Muss für Nordseeliebhaber.
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