Eigenheime der Tiere
Janine Burke – Kunsthistorikerin, Schriftstellerin, Hobbyforscherin und Naturliebhaberin – hat auf ihren Reisen rund um die Welt jahrelang Vögel und ihre Nester studiert. Sie möchte ihre Leser nun dazu anhalten, mehr auf diese Wunder der Natur zu achten. Früher habe das Beobachten von Vögeln und das Suchen von Nestern zur Kindheit gehört. Heute interessierten sich immer weniger Menschen dafür.
Die Autorin rühmt die Kunstfertigkeit der tierischen Nestbauer mit sprachlicher Eleganz, Zuneigung und großem Einfühlungsvermögen. In ihrem Buch stellt sie Vögel und ihre Nester auf unorthodoxe Weise vor. Einige Illustrationen dienen der Veranschaulichung, es könnten aber mehr sein. Dennoch kommt die Vielfalt der Nester zum Ausdruck: Singdrosseln (Turdus philomelos) etwa bauen filigrane Gebilde; Rauchschwalben (Hirundo rustica) sammeln winzige Schlammkügelchen, mischen diese mit langen Gräsern und kleben sie in Gestalt einer Tasse an die Wand; und die unscheinbaren Siedelweber (Philetairus socius) legen Kolonien in Form großer mehrstöckiger Wohnhäuser an.
Auf die Hütte kommt es an
Wie aus dem Werk hervorgeht, ist das Thema "Nest" mitnichten rein weiblich konnotiert, sondern durchaus auch ein männliches. Interessant ist hier besonders der männliche Seidenlaubenvogel (Ptilonorhynchus violaceus), der seinen Bau mit allerlei blauem Zierrat auskleidet, um potenziellen Weibchen zu gefallen. Je prächtiger das Ergebnis, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Vogel beim anderen Geschlecht Erfolg hat. Die Männchen der Cabanis- (Ploceus intermedius) und Maskenweber (Ploceus velatus) wiederum bauen frei hängende Nester, die pendelnden Körben ähneln. Während die Männchen daran schaffen, werden sie von den Weibchen beobachtet. Sind sie fertig, inspiziert das Weibchen den Bau. Sagen ihm die Qualität und Gestaltung des Nests zu, zieht es beim Erbauer ein; andernfalls lehnt es sowohl die Behausung ab als auch den, der sie erschuf.
"Nest" ist kein Fach- oder Nachschlagebuch, sondern eher ein erzählendes Werk. Es befasst sich über die Nester hinaus mit der Welt der Vögel insgesamt. Die Autorin stellt zahlreiche Verbindungen zu Literatur und Kunst her, wobei ihr eine sehr persönliche, facettenreiche Darstellung gelingt – teils Naturgeschichte, teils Memoiren. Trotz guter Übersetzung lassen die vielen Bezüge zum angelsächsischen Raum erkennen, dass die Originalausgabe englisch ist. Unterm Strich ist es dennoch ein lesenswertes Buch für alle Natur-, Literatur- und Kunstliebhaber.
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