»People Pleasing«: Wer allen gefallen will, verliert sich selbst
»People Pleasing« bezeichnet eine Verhaltensweise, bei der die Bedürfnisse der anderen ständig über die eigenen gestellt werden. Wer immer gefällig ist, läuft Gefahr, persönliche Wünsche und Ziele aus dem Blick zu verlieren. Und wenn man doch einmal etwas für sich selbst tut, ist das schlechte Gewissen meist nicht weit. Dieses Dilemma, mit dem People Pleaser tagtäglich konfrontiert sind, arbeitet Psychologin, Therapeutin und Coachin Ulrike Bossmann in ihrem Buch sehr klar heraus.
Dabei kann die Autorin auf einen reichen Schatz an Erfahrungen und Berichten von People Pleasern zurückgreifen. Es gelingt ihr überzeugend, den Leidensweg dieser Menschen und die Ursachen für ihr Verhalten zu skizzieren. So finde man in deren Vergangenheit oft ein bestimmtes Muster: Menschen, die gefallen wollen, übernahmen als Kinder oft Aufgaben oder Rollen, die nicht ihrem Entwicklungsstand entsprachen. Sie lernten von klein auf, eigene Bedürfnisse für das Wohl anderer zurückzustellen. Sich von solchen fest verankerten Vorstellungen zu lösen, bedarf einiger Arbeit. Bossmann erläutert: »Der Weg raus aus dem People Pleasing bedeutet, stärker nach innen zu fühlen und bewusstere Entscheidungen zu treffen als bisher. Sich gleichsam wie die anderen wichtig und ernst zu nehmen.«
Eine klarere Struktur hätte dem Buch gutgetan
Wer sich nach diesen Einsichten nun einen klaren Plan dafür wünscht, wie der Weg weg von gefälligem Verhalten aussehen könnte, wird enttäuscht. Bossmann präsentiert stattdessen eine breite Palette an Fähigkeiten, die man erlernen sollte, um aus der People-Pleaser-Rolle aussteigen zu können. Allerdings handelt es sich hierbei um ein Nebeneinander verschiedener Verhaltensänderungen, das viele Leser überfordern dürfte. Zudem sind die Seiten gespickt mit Infoboxen, Übungen, Reflexionsfragen und Aufzählungen – das macht die Lektüre unruhig. Es wäre vielleicht hilfreich gewesen, grundlegende Informationen und Anekdoten jeweils voranzustellen und weitere Inhalte, die nach einer Vertiefung verlangen, am Kapitelende zu sammeln. Auf diese Weise hätte man Tests auch als solche grafisch gestalten können, anstatt nur die Endpunkte von Skalen im Text zu beschreiben. Auch das »Kommunikations-1x1 für People Pleaser« hat leider nicht die klare Struktur und Dramaturgie, die man von einem Einmaleins erwarten darf: klein anfangen und dann kontinuierlich steigern.
Im Vorwort formuliert die Autorin ihren Wunsch, dass People Pleaser durch die Auseinandersetzung mit den Inhalten des Buchs mehr Selbstbewusstsein erlangen – »nicht im Sinne von Selbstvertrauen, sondern im echten Sinne des Wortes: sich der eigenen Gefühle, Werte, Bedürfnisse und Annahmen bewusst zu werden und dieses Wissen für Entscheidungen zu nutzen.« Dieses Ziel durch die Lektüre eines Buchs zu erreichen, fällt naturgemäß schwerer als etwa in einer Reihe regelmäßiger Therapie- oder Coachingsitzungen. Dennoch hilft der Band dabei zu verinnerlichen, dass man sich mit dem People Pleasing nichts Gutes tut. Und dass man sich ruhig trauen darf, auch einmal die eigenen Wünsche in den Vordergrund zu rücken – selbst wenn das anderen nicht passen könnte. Um aber strukturiert und erfolgreich an sich selbst arbeiten zu können, braucht man sicher mehr als diesen Rundumschlag an Informationen, Tipps und Übungen, dem eine klarere Struktur gutgetan hätte.
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