»Philosophinnen«: Starkes Geschlecht – schwache Darstellung
Es steht außer Frage, dass deutlich weniger Bücher über Philosophinnen geschrieben werden als über ihre männlichen Kollegen. Zum einen war es Frauen in der Vergangenheit oft nicht möglich, eine Laufbahn einzuschlagen, in der sie ihre Zeit den großen Fragen dieser Disziplin hätten widmen können. Ebenfalls klar ist, dass die Arbeiten von Frauen wie Simone de Beauvoir meist – und häufig zu Unrecht – nur im Kontext ihrer männlichen Zeitgenossen rezipiert werden. Der Sexismus, der als zentrale Ursache für die unzureichende Betrachtung weiblicher Philosophie gelten muss, ist auch heute noch im akademischen Umfeld spürbar. Obwohl mehr Frauen als Männer ein Philosophiestudium beginnen, finden sich unter den Promovierenden und vor allem auf Lehrstühlen noch immer erschreckend wenige Frauen. Das von Lisa Whiting und Rebecca Buxton herausgegebene Buch möchte dieser mangelnden Präsenz entgegenwirken und einen Überblick über das Leben und Schaffen der wichtigsten Denkerinnen der Menschheitsgeschichte geben.
Auf eine Einleitung folgen 20 Kapitel über wichtige weibliche Persönlichkeiten der Philosophiegeschichte, die ausnahmslos von Autorinnen verfasst wurden. Im Anhang findet sich außerdem eine Liste mit weiteren Denkerinnen, die es zwar nicht in das Buch geschafft haben, den Lesenden aber für eine eigene Recherche empfohlen werden. Bei Übersichtswerken wie diesem stellt sich natürlich immer die Frage nach der Auswahl. Erfreulich ist, dass auch einige Philosophinnen aus in der westlichen Welt unterrepräsentierten Kulturkreisen vorgestellt werden, etwa aus Afrika oder Fernost. Zudem werden Philosophinnen präsentiert, die als Persönlichkeiten durchaus umstritten sind. Dennoch drängt sich der Verdacht auf, dass manche Frauen eher aus politischen denn aus philosophischen Gründen keine Aufnahme fanden – allen voran Ayn Rand. Die einflussreiche Denkerin, die sich mit Themen aus Ökonomie, politischer Philosophie und Ethik auseinandersetzte, findet sich nicht einmal in der weiterführenden Liste im Anhang – mutmaßlich wegen ihrer positiven Einstellung gegenüber Kapitalismus und Wirtschaftsliberalismus. Dafür fand eine »Person« ihren Weg in das Werk, deren Existenz historisch nicht belegt ist: Diotima. Der Name kommt im berühmten »Symposion« Platons vor, bei dem Sokrates anderen Philosophen von Diotimas Konzept der Liebe berichtet. Diotimas Existenz wird in »Philosophinnen« als sehr wahrscheinlich dargestellt, auch wenn es für diese Annahme keine wissenschaftlichen Belege gibt.
Die Texte der einzelnen Kapitel befassen sich vorrangig mit dem jeweiligen Lebenslauf der Philosophinnen. Das ist einerseits wichtig, um die Widrigkeiten, mit denen Frauen unbestreitbar immer wieder zu kämpfen hatten und haben, nachvollziehbar werden zu lassen. Andererseits bleibt dadurch innerhalb der kurzen Texte zu wenig Raum, um die Gedanken der Philosophinnen in angemessener Tiefe zu präsentieren. Noch dazu fallen die Betrachtungen insbesondere kritischer Themen oft einseitig aus. So wird zwar die problematische Solidarisierung der afroamerikanischen Philosophin Angela Davis mit den Palästinensern in zwei Halbsätzen angesprochen, aber ihre zeitweise unreflektierte Bewunderung osteuropäischer Diktaturen der Sowjetzeit, die unter anderem zum Bruch mit ihrem Mentor Herbert Marcuse führte, kommt gar nicht vor.
»Philosophinnen« ist ein schönes Projekt, das vielen philosophisch weniger belesenen Menschen einen Überblick über einige Denkerinnen der Menschheitsgeschichte gibt. Der einfache Stil macht das Werk zudem zugänglich, und die Begeisterung mancher Texte wirkt ansteckend. Leider sind die Betrachtungen häufig einseitig und vor allem zu wenig auf die tatsächlichen Gedanken der Philosophinnen fokussiert – was die Idee, die Bedeutung von Frauen innerhalb der Philosophie hervorzuheben, ganz klar unterläuft.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben