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Erbe aus der Asche

Vor fast 2000 Jahren begrub der Vesuv die antike Stadt Pompeji unter einer meterdicken Ascheschicht und schloss alles Leben in einer Zeitkapsel ein. Ein neues Buch beschreibt, was der Vulkan konservierte und Archäologen ans Licht brachten.

Das antike Pompeji, nach dem Kolosseum in Rom die zweitwichtigste Touristenattraktion Italiens, hält immer wieder Überraschungen parat. 2018 lieferte ein in den Überresten einer antiken Baustelle gefundenes Graffito den Nachweis, dass der Untergang der Stadt entgegen dem bislang von Plinius dem Jüngeren überlieferten Termin (24. August 79 n. Chr.) um gut zwei Monate zurückdatiert werden muss. 2019 gaben die Ruinen ein eindrucksvolles Fresko preis, das zwei kämpfende Gladiatoren in realistischer Darstellung zeigt. Ein Jahr später legten Archäologen eine komplette antike Imbissbude mit intaktem Tresen frei. Und Anfang 2021 hat man in der Villa Civita Giuliana, im Norden der Stadt, einen kompletten vierrädrigen Prozessionswagen aus Eisen frei gelegt, den die römische Elite für feierliche Anlässe verwendete.

Das wundervollste Museum der Welt

Diese und viele weitere sensationelle Funde hat Massimo Osanna, vormaliger Generaldirektor des Archäologischen Parks von Pompeji, in seinem aktuellen Buch über das »wundervollste Museum der Welt« (Chateaubriand, 1768–1848) zusammengetragen und zum Teil neu bewertet.

Osanna, von Haus aus Archäologe, legt den Schwerpunkt seines Werks auf die materiellen Hinterlassenschaften Pompejis und versäumt dabei nicht, auf die außergewöhnlichen Fundumstände vor Ort hinzuweisen. Für Archäologen, so der Autor, sei das Inferno von damals ein Glücksfall, weil es eine fast intakte Handelsstadt konserviert und den antiken Lebensalltag in versiegelter Form für die Nachwelt hinterlassen hat.

Anschaulich und souverän stellt das Buch die wichtigsten Funde vor und erläutert, welche Informationen man diesen mit welchen wissenschaftlichen Methoden entlocken kann. Vermögen archäobotanische Forschungen nähere Einblicke in die Ernährungsgewohnheiten und hygienischen Verhältnisse Pompejis zu gewähren, so zeugen die baulichen Relikte – Wohnhäuser, Thermen, Tavernen, Bäckereien, Bordelle, Villen, Tempel, Amphitheater und Bedürfnisanstalten – von den Wohn- und Lebensverhältnissen der Bevölkerung Pompejis. Nicht minder aussagekräftig sind die zahlreichen schriftlichen Zeugnisse, vor allem diejenigen, die mitteilungsbedürftige Bürger an den Häuserwänden Pompejis hinterließen. Ob als Graffito mit einem spitzen Gegenstand in den Mauerputz gekratzt oder als Dipinto mit schwarzer oder roter Farbe aufgetragen, vermitteln die niedergeschriebenen Äußerungen ein aufschlussreiches soziales Stimmungsbild von der kampanischen Kleinstadt am Fuß des Vesuvs und der Gedankenwelt ihrer Bewohner.

Breiten Raum nimmt der historische Abriss der Grabungsgeschichte ein, von den ersten Spatenstichen im Jahr 1748 bis in die Gegenwart. Das Kapitel gehört zu den besten des Buchs, weil es dem Leser anschaulich die Probleme aufzeigt, vor denen Restauratoren und Archäologen heute stehen. An den antiken Hinterlassenschaften Pompejis nagt nicht nur der Zahn der Zeit. Bis weit ins 19. Jahrhundert setzte man ohne Systematik und Methode den Spaten an und unterließ es, die Fundumstände zu dokumentieren, so dass nur ein Bruchteil der ausgegrabenen Relikte nach modernen Kriterien als wissenschaftlich bearbeitet gelten kann.

Deshalb hat man zur Zeit des »Grande Progetto« (2012–2018) unter maßgeblicher Mitwirkung des Autors das Pompeji Sustainable Preservation Project ins Leben gerufen, um wichtige konservatorische Maßnahmen zur Instandhaltung des 44 Hektar großen, vom Verfall bedrohten Ausgrabungsareals vorzunehmen. Erst die Sicherung und Restaurierung des bereits frei gelegten Bestands habe es laut Osanna ermöglicht, Pompeji wieder einem größeren Publikum zugänglich zu machen und Wege für weitere Grabungen zu eröffnen.

Wer sich umfassend über Pompeji und den aktuellen Forschungsstand des zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden archäologischen Freilichtmuseums informieren will, kommt an Osannas Buch nicht vorbei.

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