»Psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten in den ersten Lebensjahren«: Kleines Kind, großes Leid
Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen treten im Alter von null bis sechs Jahren relativ häufig auf: 14 bis 26 Prozent der Kinder sind davon betroffen. Wenn es darum geht, eine Chronifizierung und andere negative Auswirkungen zu vermeiden, braucht es frühzeitige und korrekte Diagnosen und vor allem Fachwissen.. Letzteres wollen der Erziehungswissenschaftler und Kinder- und Jugendpsychotherapeut Rüdiger Kißgen sowie die Kinder- und Jugendpsychiaterin Kathrin Sevecke in dem von ihnen herausgegebenen Fachbuch anschaulich vermitteln.
Sie beziehen sich dabei auf das Klassifikationssystem DC:0-5 (»Diagnostic Classification of Mental Health and Developmental Disorders of Infancy and Early Childhood«), weil es umfassender auf die frühe Kindheit eingeht als die ICD-10 beziehungsweise die neuere ICD-11 (»International Classification of Diseases«) und das DSM-5 (»Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders«). Das 21-köpfige Autorenteam von »Psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten in den ersten Lebensjahren« hat das Werk mit aktueller wissenschaftlicher Literatur und praxisrelevanten Zusatzinformationen angereichert, etwa Tipps zur Schlafhygiene oder zum Füttern von Kleinkindern. Dabei gehen die Autoren zunächst auf wichtige Meilensteine während der alterstypischen Entwicklung ein und legen dann den Fokus auf die in Achse I der DC:0-5 genannten klinischen Störungen. Diese reichen von der Autismus-Spektrum-Störung über Störungen der Sprachentwicklung bis hin zu Ess-, Schlaf- und Zwangsstörungen.
Schade ist, dass der multiaxialen Diagnostik, die Beziehungskontext, körperliche Voraussetzungen, psychosoziale Stressoren und Entwicklungskompetenzen erfasst, nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dabei ist es diese Form der Diagnosestellung, die die DC:0-5 von anderen Klassifikationssystemen unterscheidet. Das Autorenteam behandelt die Achsen II bis V relativ knapp, die im Original enthaltenen Tabellen und Checklisten zur Beurteilung werden leider ganz ausgespart. Trotzdem hat das Werk aufgrund der wissenschaftlich fundierten Aufarbeitung der Achse I Relevanz im Hinblick auf den Einsatz in Ausbildung und Praxis.
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