»Radieschen von unten«: Tod und Sterben lebendig erklärt
Wer zunächst nur Titel und Untertitel dieses Buchs wahrnimmt, befürchtet vielleicht eine angestrengte Heiterkeit angesichts eines Tabuthemas, das leid- und lebenserfahrene Erwachsene oft genug an ihre Grenzen führt. Diese Sorge erweist sich bei der Lektüre aber schnell als unbegründet.
Denn Autorin Katharina von der Gathen und Illustratorin Anke Kuhl haben sich schon mit ihren Kindersachbüchern über Körper und Sexualität erfolgreich brisanter Themen angenommen. Nun erzählen sie vom Sterben, vom Tod, von der Trauer. Mit Schwung, Witz und Wissen reißen sie die gerade für Kinder oft verschlossen gehaltene Tür zu diesen Themen weit auf. Die Leichtigkeit, mit der sie dies tun, hängt eng mit ihrer frischen Perspektive auf die letzten Dinge zusammen: »Dies ist nicht nur ein Buch über das Sterben und den Tod, es ist vor allem auch ein Buch über das Leben!« So erfahren wir anhand eines Zeitstrahls, wie unterschiedlich lange verschiedene Lebewesen existieren: die Eintagsfliege nach dem Schlüpfen nur wenige Stunden bis Tage, während der Grönlandhai bis zu 400 Jahre alt werden kann.
Schon das Vorsatzpapier ist ein Hingucker, hier sind andere Ausdrücke für »sterben« aufgelistet: »auschecken«, »die Kurve kratzen« oder »das Zeitliche segnen«. Auch im Kapitel über die häufigsten Todesursachen wie Herzinfarkt, Krebs oder Schlaganfall geht es direkt zur Sache. Diese werden ebenso verständlich erklärt wie in den folgenden Kapiteln Beerdigungen, Trauer, der Glaube an ein Leben nach dem Tod oder der Umgang mit Sterben und Tod in den Religionen. Zahlreiche anekdotenreiche Interviews mit Experten bieten eine interessante Abwechslung zu den Sachtexten. So erzählen ein Friedhofsgärtner, zwei Bestatterinnen und eine Pfarrerin von ihrem Beruf, der sie tagtäglich mit Sterben und Tod konfrontiert.
Über den Tod darf man lachen, die Trauer muss man respektieren
Katharina von der Gathen gelingt es auch in diesem Sachbuch, den passenden, weil einfühlsamen Ton anzuschlagen. Sie nimmt ihre jungen Leser ernst, ohne sie zu überfordern. Ihr Kredo: Über den Tod darf man lachen, die Trauer muss man respektieren. Anke Kuhls kecke, mitreißende und comicartige Illustrationen sind weit mehr als optisches Beiwerk. Sie erzählen eigene, über den Text hinausgehende Geschichten. Mal heiter und in kunterbunten Farben, mal schwarz-weiß angesichts der Trauer um einen geliebten Menschen. Es ist schon erstaunlich, wie sie selbst in kleinen Vignetten viele Details unterbringt oder ihren Figuren mit wenigen Strichen ein Profil verleiht und ihre Gefühle ausdrückt.
Entstanden ist so ein vielfältiges und perspektivenreiches, ein im besten Sinn »buntes« Aufklärungsbuch für Kinder. Und vielleicht nimmt es auch großen Lesern die Scheu vor seinem Thema – indem es Fragen beantwortet, die sie so vielleicht noch nie zu stellen wagten.
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