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»Raketenflugplatz in Berlin«: Berliner Pioniere der Raumfahrt

Die Pionierzeit der Raumfahrt war aufregend und entbehrungsreich – und sie fand in und bei Berlin statt. Harald Neckelmann lässt sie in Text und Bild lebendig werden.

Vor einiger Zeit habe ich das Buch »Kulturaufgabe Weltraumschiff« von Wolfgang Both besprochen (die Rezension ist noch als PDF zum Download verfügbar). Es erzählt anhand der Geschichte des »Vereins für Raumschiffahrt« (jawohl, damals mit nur zwei »f«) in chronologischer Form ausführlich und spannend die Anfänge der deutschen Raketenentwicklung zwischen 1924 und 1934.

Doch selbst dieses bemerkenswerte Grundlagenwerk hinterließ, vor allem wegen seiner bewusst gewählten Perspektive, auch einige Grauzonen um Menschen, Objekte und Orte. Dies betrifft Personen wie Rudolf Nebel, Klaus Riedel, Johannes Winkler, Kurt Heinisch und Willy Ley oder Projekte wie die sagenumwobene »Magdeburger Pilotenrakete«; über sie besteht heute vielfach nur noch anekdotisches Wissen – wenn man nicht gerade das Glück hat, das Technikmuseum Magdeburg zu besuchen. Und es betrifft Orte des damaligen Geschehens, die – zumindest für mich – bislang abstrakt geblieben sind; Orte wie den Schwielowsee, wo vom Wasser aus Startversuche der Raketenpioniere erfolgten, »Oma Riedels Acker« bei Görlitz oder das Gut Mose bei Magdeburg. Und dann ist da natürlich noch der Raketenflugplatz in Berlin-Reinickendorf, der sich dort befand, wo sich später der Flughafen Tegel ausbreiten sollte. Dieser Raketenflugplatz ist dann auch der Hauptprotagonist in Harald Neckelmanns schmalem, aber feinem Buch, das uns zurück in die Pioniertage der deutschen und damit auch der weltweiten Raumfahrt führt.

Das Büchlein macht in mehrfacher Hinsicht Freude. Da ist zunächst der Neuigkeitswert. Es enthält Geschichten und Zusammenhänge, die mir bislang in dieser Form nicht geläufig waren. Dann ist da der nüchterne Stil des Autors, der nie wertend und politisch belehrend ist wie in manch anderen Büchern über dieses Thema und diese Zeit, sondern stets betrachtend und dokumentierend bleibt. Und schließlich ist es einfach auch ein herstellerisch hübsch gemachtes kleines Werk.

Der besondere Schatz dieser Publikation sind die etwa 120 Bilder, die zum größeren Teil aus dem Archiv des Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museums in Feucht bei Nürnberg stammen. Nur wenige davon waren mir zuvor schon bekannt. Sie machen diese schwierige, aufregende, und – wie man erfährt – auch entbehrungsreiche Pionierzeit mit einem Mal wieder lebendig.

Versuchsrakete im Kaufhaus Wertheim

Es sind Bilder wie das des Oberprimaners Wernher von Braun, der im völlig verdreckten Labormantel Rudolf Nebel hilft, Versuchsraketen zum Startplatz zu tragen. Ein anderes Foto zeigt von Braun, nun schon frischgebackener Abiturient, wie er zusammen mit Klaus Riedel im Mai 1930 während der »Luftfahrtwoche« im Kaufhaus Wertheim am Leipziger Platz anhand eines Raketenmodells den Berlinern Raketentechnik und Raumfahrtprinzipien erklärt – übrigens in der Gartenmöbelabteilung des Kaufhauses.

Und fast schon anrührend ist das Bild von Meta Riedel, der Großmutter von Klaus Riedel, die 1930 die Berliner Raketenflugplatz-Mannschaft für einen ganzen Sommer zu sich auf ihren Bauernhof in der Nähe von Görlitz einlud, wo sie auf dem weitläufigen Gelände mit der relativ kleinen »Mirak« (»Minimumsrakete«) ungestört von argwöhnischen Behörden experimentieren konnten. Einzige Bedingung von Oma Riedel: »Sprengts mir ned mei Häusl in die Luft«.

Vier Jahre später endete die Geschichte des Raketenflugplatzes in Berlin. Das Heereswaffenamt (HWA) bewirkte seine Schließung, indem es mit immer höheren administrativen Auflagen Druck auf die Erfinder ausübte. Zu dieser Zeit lief im 50 Kilometer entfernten Kummersdorf schon parallel die Raketenentwicklung des Heeres. Die aus Sicht des HWA besten Köpfe bekamen Angebote, in der militärischen Entwicklung zu arbeiten, die technisch und finanziell um ein Vielfaches besser ausgestattet war.

Als Erster wechselte Wernher von Braun, der schon 1932 nach Kummersdorf ging. Klaus Riedel folgte ihm 1934. Winkler ging zurück zu den Junkers-Werken in Dessau, seinem früheren Arbeitgeber, und entwickelte dort militärische Flüssigkeitsraketentriebwerke. Auch Rudolf Nebel bekam ein Angebot vom Militär, lehnte aber ab. Jegliche weitere Entwicklung der Raketentechnik in Deutschland lief fortan im Geheimen.

»Der Raketenflugplatz in Berlin« erzählt all diese Geschichten lebendig und anhand von besonderem, teilweise exklusivem Bildmaterial. Das Buch hat meine unbedingte Kaufempfehlung.

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