Wie kann man den Regenwald retten?
Dieser Sommer hat es erneut gezeigt: Es brennt. Immer wieder, immer häufiger und immer heftiger. Der Wald stand an vielen Orten in Flammen: in Griechenland, Italien, der Türkei, Algerien; durch den Westen der USA bis nach Kanada. Die Flammen fraßen sich durch besiedeltes und gut erschlossenes Gebiet, weshalb die Schäden so groß waren. Aber auch der Regenwald steht häufig in Flammen, in Brasilien und in den ohnehin schon fragmentierten Gebieten in Afrika und Asien. Jedes Jahr geht ein gewaltiges Stück mehr verloren. So viel, dass in wenigen Jahrzehnten nichts mehr davon übrig sein könnte – mit katastrophalen Folgen für die Artenvielfalt vor Ort und für das Klima.
Panorama der tropischen Wälder
Es gibt viele gute Gründe, dieses besondere Ökosystem in den Fokus zu nehmen. Genau das macht Josef H. Reichholf in seinem neuen Buch »Regenwälder. Ihre bedrohte Schönheit und wie wir sie noch retten können«. Reichholf ist Evolutionsbiologe, hat viele Jahre lang die Sektion Ornithologie der Zoologischen Staatssammlung in München geleitet und lehrt als Honorarprofessor an der TU München. Auf 260 Seiten entwirft er ein breites Panorama der tropischen Wälder, räumt mit einigen Mythen auf und klärt dabei eine Reihe wichtiger Fragen: Warum sind gerade größere Tiere – anders als in den Savannen Afrikas – so selten, obwohl Regenwälder die artenreichsten Lebensräume überhaupt sind? Weshalb konnte und kann Kautschuk am Amazonas nicht auch in großen Plantagen angebaut werden? Wieso sind die gerodeten Flächen dort so wenig produktiv und so anfällig für Störungen und Krankheiten?
Reichholf widmet sich auch den Verstrickungen des Globalen Nordens: Er erklärt, wie Deutschland und andere ehemalige Kolonialmächte die Regenwälder schon seit Jahrhunderten direkt und indirekt ausgebeutet haben – und dass sich daran bis heute nichts geändert hat: Ohne die Massentierhaltung und den ungebrochenen Hunger nach Fleisch in Europa und anderen Industrienationen würde es die unzähligen Brandrodungen, die Platz für noch mehr Soja- und Palmölplantagen schaffen, gar nicht geben. Erst die hohe Nachfrage macht den Raubbau rentabel.
Auch wenn nicht alle Thesen brandneu sind – vom gleichen Autor ist schon 2010 ein Buch über die Ökobiologie des tropischen Regenwaldes erschienen –, schafft es Reichholf in gewohnt souveräner Sprache, ein tieferes Verständnis für den komplexen Lebensraum zu vermitteln. Und die virtuosen Bildertafeln Johann Brandstetters verstärken den Drang, die Schönheit der Regenwälder unbedingt zu bewahren.
Deshalb ist es ein bisschen schade, dass die im Untertitel in Aussicht gestellten Lösungsansätze zur Rettung der Regenwälder dann doch etwas kurzkommen: Gerade mal 20 Seiten sind diesem Themenfeld gewidmet. Als wichtige Maßnahme empfiehlt Reichholf das großflächige Aufkaufen von Land, so wie China es schon lange praktiziert, wenn auch nicht aus Naturschutzgründen. Theoretisch ist das eine großartige Idee, nur gibt es in der Praxis keine Ansätze, die wirklich über das Lokale oder Regionale hinausgehen. Auch die Forderung, in Europa in den kommenden Jahren die Importe von Futtermitteln und Teakhölzern drastisch zu reduzieren, ist zweifellos richtig und wichtig. An dieser Stelle hätte man gerne noch auf zwei oder drei Seiten mehr gelesen, wie eine solche Kehrtwende praktisch aussehen könnte. Auch würde man etwas darüber erfahren wollen, wie abgeholzte Wälder wieder aufgeforstet werden können.
Am Ende des Buchs zieht Reichholf ein vorsichtig optimistisches Fazit: Die Hälfte des Regenwalds ist zwar zerstört, aber die andere Hälfte ist noch da und könnte – mit großen Anstrengungen und viel Geld – gerettet werden. Bücher wie dieses machen in jedem Fall deutlich, dass sich das Engagement für den Wald lohnt.
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