Von der römischen Republik zur Monarchie
Wer eine neue Geschichte über die römische Republik schreibt, misst sich mit zahlreichen einschlägigen Publikationen. Er hat aber auch die Chance, die vielen Lehrmeinungen hierzu mit neuer Methodik zu hinterfragen. In diesem Sinne beleuchtet der britische Autor und Journalist Tom Holland die Geschichte der römischen Republik (510-27 v. Chr.). Dabei besticht er mit großer erzählerischer Kraft und analytischem Sachverstand.
Anschaulich beschreibt Holland die Mechanismen der römischen Adelsrepublik. Dieses auf "check and balances" beruhende politische Gemeinwesen versuchte seine Staatsbeamten durch vetoberechtigte Kollegen und subtile soziale Kontrolle am Machtmissbrauch zu hindern. Gesellschaftliches Ansehen musste über staatliche Ämter errungen werden, in die man umgekehrt auch durch politisch-militärische Erfolge gelangen konnte.
Holland legt die strukturellen Defizite des Stadtstaats am Tiber offen, der auf Konsens zwischen Volk und Senat ausgerichtet war, und verweist auf die zahlreichen Paradoxien der römischen Politik. Krasse Klassenunterschiede und starkes Gemeinschaftsgefühl widersprachen einander ebenso wie die sich überschneidenden Machtbefugnisse von Senat, Volksversammlung und Staatsbeamten. Obwohl Exekutive, Legislative und Judikative ohne Trennung und von mehreren Institutionen gleichzeitig ausgeübt wurden, funktionierte das Ganze über viele Jahre hinweg nahezu perfekt.
Das Reich dehnt sich aus
Aus den Ständekämpfen zwischen Plebejern und Patriziern zu Beginn der römischen Republik gingen sowohl das Volkstribunat als auch der Adel als politische Führungselite hervor. Ausgehend von dieser Zeit legt Holland überzeugend dar, auf welche Motive und Mechanismen sich die römische Expansion stützte, zunächst in Italien, später im gesamten Mittelmeerraum. Der Autor analysiert, wie diese Expansion auf die innere Entwicklung der römischen Republik zurückwirkte.
Ein weiteres Thema ist das historische Geschehen in den Jahren zwischen der "Revolution" der Gracchen und der Errichtung des Prinzipats durch Augustus (133-27 v. Chr.). In jener Periode veränderte sich das Gesicht der römischen Adelsrepublik grundlegend. Maßgeblich dafür verantwortlich sei der schwindende Konsens der Eliten gewesen, die ihr Handeln zunehmend an persönlichen Interessen ausrichteten, schreibt Holland. Mit dem Rückgang des Bürgersinns nahm das individuelle Machtstreben zu. Als Folge davon wurden die innenpolitischen Auseinandersetzungen gewalttätiger. Die Aristokraten der zweiten Reihe, die römischen Ritter ("equites"), die Eliten und Bürger der Städte Italiens, vor allem aber die Soldaten, die lange Zeit politisch passiv geblieben waren, traten ab etwa 100 v. Chr. als wichtiger Faktor der römischen Innenpolitik in Erscheinung.
Auftritt der Alpha-Männer
Fortan schlug die Stunde der "Einzelkämpfer" – Männer mit überdimensionalem Ego vom Schlage eines Sulla, Pompeius oder Caesar. Sie hielten ihr militärisches Kommando über den verfassungsrechtlich erlaubten Rahmen hinaus in Händen und waren nicht mehr bereit, sich in das republikanische Herrschaftskollektiv einzuordnen. Dabei konnten sie sich auf neue Formen von Loyalitätsbindungen (Heeresklientel) stützen.
Eindringlich analysiert der Autor das systembedingte Handeln dieser "Totengräber der Republik" und hinterfragt deren Rolle in den Machtkämpfen, die in der letzten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. zu Bürgerkriegen eskalierten. Aus diesen Konflikten ging mit dem Prinzipat eine monarchische Herrschaft hervor, die ihr Begründer Octavian, der spätere Kaiser Augustus, als "wiederhergestellte römische Republik" ("res publica restituta") präsentierte. Ein geschickter Schachzug, mit dem der nun erste Mann im Staat ("princeps") die alten Machteliten wieder in die Lage versetzte, Herrschaft unter geänderten Rahmenbedingungen auszuüben und ihren Platz in der neuen Ordnung einzunehmen.
Holland gibt neue Antworten auf alte Fragen. Ihn interessieren nicht die Ursachen des Niedergangs, sondern die Gründe, warum die Republik trotz großer Schwächen und schwerer Krisen so lange existierte. Das, was die althistorische Forschung als "Krise und Untergang der Republik" bezeichnet, ist für Holland das Nebeneinander von konkurrierenden Politikentwürfen: einem traditionell-aristokratischen und einen monokratischen. Diese Modelle waren am Ende nicht mehr zur Deckung zu bringen. Der Autor erzählt Geschichte in bester angelsächsischer Tradition; seine Ausführungen sind von stilistischer Brillanz und historischem Scharfsinn geprägt. Sein Buch eröffnet dem Leser einen neuen Blick auf die römische Republik und die kurz vor der Zeitenwende eingeleitete Systemtransformation.
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